Die Eule - Niederrhein-Krimi
Glaubensgemeinschaft gegründet hat.«
Burmeester starrte das Foto an. »Genau, ein Opfer. Warum sollten wir sie befragen, statt ihr Umfeld weiter zu beleuchten?«
Karin blendete sich ein, die Finger abschleckend vom Brötchen mit Frischkäse und Marmelade, das sie mitgebracht hatte.
»Wir gehen die ganze Zeit von einem direkten Zusammenhang zwischen dem beziehungsweise den Anschlägen und einem Motiv im Rahmen der Gemeinschaft aus. Warum sollten wir die Frau wieder vorladen? Ich finde, die hat genug zu verkraften, und sie wird sich nicht selber eins über den Schädel gezogen haben.«
Tom widmete sich erneut seinem Kaffee, wies auf das Foto und steigerte sich vehement in seine Ausführungen hinein.
»Jetzt betrachtet diese Frau doch mal objektiv. Ihre persönliche Geschichte liegt in ganz diffusem Licht, sie rückt selbst damit nicht raus, wir haben Verbindungen zur ehemaligen DDR gefunden und kreisen wie die Geier über jedem Brocken, den wir aus irgendeiner Ecke prokeln, anstatt sie selber damit zu konfrontieren, bis sie redet. Das nervt mich, wir packen die doch in Watte, gehen so obskure Wege, wie Beitritte von Kollegen zu der Glaubensgemeinschaft zu befürworten. Karin, du sitzt doch da und fürchtest um die Sicherheit deiner Familie. Was bewirkt dieses Durcheinander? Einerseits verbreitet Con Respekt und Angst. Betrachte doch deine eigene Reaktion, die falschen Angaben bei der Anmeldung und die überstürzte Reise deines Lebensgefährten mit Tochter in die Niederlande! Andererseits wird sie tätschelnd ins Abseits gestellt, wie die alte Dame aus dem Seniorenstift, der man gerade die geklaute Handtasche zurückgebracht hat.«
Tom schnaubte. »Was oder wer ist Cornelia Garowske? Ein durchtriebenes Aas mit Charisma, Kontroll- und Machtansprüchen, wie sie auch im Osten der Republik das Leben beherrschten, oder die gütige ältere Dame, die aus innerer Überzeugung Gleichgesinnte um sich schart? Sie muss hierher, bis sie uns alles erzählt, wer sie ist, warum sie diese Gemeinschaft gegründet hat und wer einen solchen Hass auf sie haben kann, dass er Unbeteiligte zu Opfern macht. Da ist einer mit einem Lkw in die Pilgergruppe gerast, hat drei Menschen getötet und andere für den Rest ihres Lebens gezeichnet, das ist doch krank. Ich will endlich wissen, in wessen Kopf solche Pläne reifen. Das ist noch nicht zu Ende, solange sie lebt und der oder die Täter frei herumlaufen.«
Nachdenkliche Stille breitete sich aus, er hatte den Nerv getroffen. Karin nickte stumm, stand auf und griff zu ihrer Jacke.
»Du hast recht. Schluss mit dem Schutzmäntelchen für die Patronin. Burmeester, komm, wir holen sie her.«
»Ohne Staatsanwalt, ohne Beschluss?«
»Wir wollen sie ja nur befragen. Ich befürchte nur, dass sie ihr probates Mittel einsetzt, um sich den Antworten zu entziehen.«
Burmeester stand schon neben ihr. »Wie meinst du das?«
»Immer wenn ich ihr zu nahe gekommen bin mit meinem Bedürfnis nach Information, hat sie schlicht und einfach geschwiegen.«
Tom blickte ihnen nach und donnerte seinen Kommentar in Richtung der sich schließenden Tür: »Das werden wir ja sehen!«
* * *
An der Balustrade der über Erfurt thronenden Festung Petersberg lehnte eine Gestalt. Wie so viele Touristen genoss sie den weiten Blick über das nahe historische und das in der Ferne von Plattenbauten gekennzeichnete Panorama. Mit einem Fernglas zoomte sie den gewünschten Blickwinkel heran und drehte sich just in dem Augenblick herum, als Gero von Aha und Christiane still den alten Kasernenbau verließen. Die Gestalt, aus deren Manteltasche eine gerollte Zeitung herausragte, hielt inne und fixierte das ungleiche, händchenhaltende Paar durch den Feldstecher.
Gero von Aha blickte hinüber.
Sich losreißen von Christiane und durchstarten war eine einzige blitzartige Bewegung. Der leicht plump wirkende Mann schoss regelrecht auf die beobachtende Gestalt zu, seine Haare standen im Gegenwind fast rechtwinklig vom kauzigen Kopf ab. Christiane blieb regungslos zurück. Die Gestalt ließ das Fernglas fallen, drehte sich auf dem Absatz um und flüchtete mit wehendem Mantel, aus dem eine Zeitung fiel.
Der Kommissar war schnell gestartet, aber im Sprint hatte er die besten Zeiten hinter sich. Er polterte über das unebene Kopfsteinpflaster auf dem Weg zum Haupttor der Festung, der hinab in die Stadt führte. Im letzten Augenblick fing er sich ab, verhinderte einen Sturz, was sein Tempo spürbar verlangsamte.
Sein
Weitere Kostenlose Bücher