Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Eule von Askir

Die Eule von Askir

Titel: Die Eule von Askir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Schwartz
Vom Netzwerk:
abschnitt. Was auch immer Istvan in seine Backmischung tat, es war das beste Brot in Askir. Er besaß hinten in der ehemaligen Schmiede eine Mühle, die so fein mahlte, dass es niemals auch nur ein Steinchen in seinem Brot gab.
    »Ein Kammerdiener wurde im Hafen tot aufgefunden. Ich habe so ein Gefühl, dass Wiesel gesehen hat, was geschah.«
    »Und mit solchen Lappalien belästigt man die erste Eule nach Jahrhunderten?« Istvan war empört, schien fast beleidigt darüber. »Jedes Mitglied der Wache kann einen solchen Fall lösen.«
    »Istvan«, sagte sie leise. »Es ist wahrscheinlich ein Nekromant gewesen.«
    »Götter!«, flüsterte Istvan entsetzt. »Täuscht du dich auch nicht?«
    Desina schüttete nur den Kopf. »Das ist es nicht allein«, fuhr sie fort. »Zudem gehörte der Kammerdiener zum diplomatischen Gefolge des Botschafters von Aldane. Das gibt dem Ganzen eine politische Bedeutung. All das macht diesen Fall etwas delikater.«
    »Also ganz und gar das Gegenteil von dem, was ich dachte«, sagte Istvan und sah sie besorgt an. »Ein Verfluchter… warum jetzt? Götter, hätte es nicht etwas Leichteres sein können?«
    Desina lächelte leicht. »Irgendwann muss ich ja anfangen.«
    »Und so rühren sich die alten Legenden wieder. Seelenreiter und Eulen«, sagte Istvan. »Ich bete zu den Göttern, dass du dich täuschst.«
    »Ich bin keine alte Legende«, protestierte sie. Sie hätte nie gedacht, was es für einen Unterschied machte, diese Robe zu tragen. Vorher war sie nur Desina gewesen, eine junge Frau, die ihre Nase zu oft in die Schriftrollen und Bücher steckte und den Waffenmeister in der Zitadelle mit ihrer Ungeschicklichkeit zur Verzweiflung trieb, jetzt auf einmal war sie eine Eule, jemand, zu dem man aufsah und der auf jede Frage eine Antwort wissen sollte. Götter, sie kannte ja noch nicht einmal die meisten der Fragen!
    »Ich bin ich«, versuchte sie ihm zu erklären. »Mit meinen ehrwürdigen Vorgängern habe ich nicht viel mehr gemein als diese Robe, die ich nun tragen darf.«
    »Das und eine gewisse Veranlagung für Magie«, entgegnete Istvan. »Du musst enorme Dinge geleistet haben, um die Prüfungen zu bestehen.«
    Desina schüttelte wieder den Kopf. »So ist das alles nicht! Aber lass uns ein anderes Mal darüber sprechen.«
    Istvan nickte. »Wie du willst. Mir ist nur wichtig, dass du dich hier willkommen fühlst.«
    »Oh, das tue ich.« Sie lächelte. »Könntest du Wiesel Bescheid geben, dass ich hier bin und ihn sprechen muss?«
    »Ich glaube, das ist nicht nötig«, sagte Istvan und sah zu der Treppe, die in die oberen Stockwerke führte. Dort kam gerade ein drahtiger junger Mann auf sie zu, gut gekleidet und mit langem blondem Haar, das er zu einem Pferdeschwanz gebunden trug. Er sah ganz und gar nicht wie ein Dieb aus, dachte Desina.
    »Das wird auch Zeit, dass du hier mal wieder vorbeischaust«, begrüßte Wiesel Desina und lächelte erfreut. Er griff sich eine Flasche von der Theke, bevor er sich zu ihr und Istvan an den Tisch setzte. »Wir sollten das feiern, denke ich. Ich hoffe nur, dass dies ein Höflichkeitsbesuch ist und du nicht hier bist, um mich zu verhaften«, fügte er verschmitzt hinzu und schob ihr einen Becher mit Wein über den Tisch. »Auf jeden Fall bist du zu alt für Milch.«
    »Verhaften will ich dich nicht«, entgegnete Desina und stellte fest, wie sehr sie ihn vermisst hatte, vor allem seine unerschütterliche gute Laune. »Aber ich bin dennoch aus einem bestimmten Grund hier. Es hat einen Toten im Hafen gegeben.« Sie sah ihn bedeutsam an. »Als ich die Tat durch meine Magie betrachtet habe, erkannte ich dich, wie du dich hinter einem Holzstapel versteckt hast…«
    »Lass mich raten«, sagte Wiesel, als Desina den Becher ansetzte. »Hieß der Tote zufällig Jenks und war ein Kammerdiener?«

 
    6
     
     
     
    Beinahe hätte sich Desina an dem Wein verschluckt, sie hustete, und Tränen stiegen ihr in die Augen, als Istvan ihr auf den Rücken klopfte. Wahrscheinlich meinte er es gut und war der Ansicht, sanft vorzugehen, aber Desina empfand es anders. Keuchend hielt sie die Hand hoch. »Hör auf!«, presste sie hastig hervor. »Du bringst mich ja noch um!«
    Fassungslos und mit tränenden Augen sah sie zu dem drahtigen Mann hinüber, der sich breit grinsend zurücklehnte und das Schauspiel offensichtlich genoss.
    Manchmal, so wie jetzt in diesem Moment, wünschte sich Desina, sie wäre dem Dieb niemals über den Weg gelaufen. Auf der anderen Seite… Vor fast

Weitere Kostenlose Bücher