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Die Eule von Askir

Die Eule von Askir

Titel: Die Eule von Askir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Schwartz
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von seinem Stuhl erhob, um sie freudestrahlend zu begrüßen.
    »Desina!«, rief er und umarmte sie. »Es ist viel zu lange her, dass ich Euch gesehen habe.« Seine altersblassen Augen blitzen, als er sie musterte, und sein Lächeln zeigte gelbe Zähne. »Diese Robe steht Euch, mein Kind. Und wahrlich, Ihr habt sie Euch hart verdient.«
    Eine der Besonderheiten ihrer Robe war es, dass sie ihrer Trägerin die Sinne schärfte, sie tiefer und weiter fühlen ließ, als Desina es sich zuvor hätte vorstellen können. Eine der Legenden über die Eulen hatte sich bestätigt. Wenn Desina jemanden berührte und dabei die Robe trug und die Kapuze hochgeschlagen war, konnte sie die Wahrheit in den Gefühlen und Worten anderer erkennen.
    Selbst für Desina, die den Gildenmeister schon immer gemocht hatte, war es eine Überraschung zu spüren, wie sehr der alte Mann sie mochte, vielleicht war sogar etwas wie Liebe mit dabei. Kein Gefühl von Erwartung trübte diese Empfindung, er musste wissen, dass sie gekommen war, um ihm von ihren Nachforschungen zu berichten, doch jetzt, in diesem Moment, dachte er nicht daran.
    Wie alt mochte er sein, fragte sie sich, als er mit einer Glocke nach einem livriertem Diener läutete, der Desina den Stuhl zurechtrückte und ihr eilfertig Tee und Gebäck anbot. An die sieben Dutzend Jahre? Vielleicht mehr? Und in den wenigen Wochen, seitdem sie ihn das letzte Mal gesehen hatte, war er deutlich gealtert.
    Desina war keine Dienerin Soltars, von denen es hieß, sie könnten sehen, wann der letzte Tag eines Menschen kommen würde. Doch auch ein einfacher Mensch trug Magie in sich, bei einem Kind strahlte sie lichterloh, bei einem Kranken barg sie dunkle Flecken, und im Alter flackerte sie nur fahl und schwach. Zu ihrer Überraschung sah sie sowohl das fahle Licht des Alters in dem Gildenmeister als auch einen gleißend hellen Kern, den unbeugsamen Willen, der ihn durch sein Leben geführt hatte. Alt mochte er sein, doch noch war Meister Oldin nicht bereit, von dieser Bühne abzutreten.
    »Ich freue mich, dass Ihr mich besucht, Desina«, sagte er, als er geschäftig den Tisch, Kanne und Gedeck für sie richtete. »Aber Meister Rolkar ist zurzeit nicht da, er hat Geschäfte zu erledigen.«
    »Ich erstatte auch Euch Bericht, Meister Oldin, nicht Eurem Schwiegersohn«, antwortete sie lächelnd und beugte sich vor. Der alte Mann hatte nach der Teekanne gegriffen, um ihnen beiden einzuschenken – eine besondere Ehre, die er sich nicht nehmen ließ –, doch seine Hand zitterte so stark, dass er beide Hände zu Hilfe nehmen musste.
    »Bitte erlaubt«, sagte sie und berührte sanft die Teekanne.
    Das Zittern ließ nach, und der alte Mann lachte erfreut, als er ihr und sich einschenkte. »Das ist ein guter Trick, Desina«, sagte er dann. »Habt Ihr die Kanne leichter gemacht?«
    »Nicht ganz. Sie erscheint nur so. Danke, Ser«, sagte Desina artig, als er ihr eine Tasse reichte, in der ein Löffel leise klirrte.
    »Ich habe die Führung der Gilde an ihn abgegeben«, fuhr Oldin fort und verrührte sorgsam den kostbaren Rohrzucker in seinen Tee. »Auch wenn Ihr ihn nicht mögt, was ich durchaus verstehen kann, ist er derjenige, dem Ihr Euch in Gildenangelegenheiten anvertrauen solltet.«
    »Dann werde ich das bei anderer Gelegenheit tun«, sagte sie. »Doch ich hoffe, dass Ihr mir erlaubt, Euch doch noch etwas Gesellschaft zu leisten.« Sie lächelte. »Der Winter war mild genug, doch in diesem Frühjahr scheint er sich hartnäckig zu halten.«
    »Ich hoffe doch, dass die legendäre Robe einer Eule Euch zumindest auch warm hält, Lysanne. Wie ist es denn so, eine Legende zu sein?«, fragte er schmunzelnd. »Hat sich die Mühe gelohnt?«
    »Es ist anstrengend. Und ob sich die Mühe gelohnt hat… Fragt mich das ein anderes Mal«, antwortete Desina mit einem sanften Lächeln. Es war nicht das erste Mal, dass er sie mit dem Namen seiner verstorbenen Tochter ansprach. Schon vor Jahren hatte er erwähnt, dass Desina ihn an sie erinnerte. Es war nicht etwa so, dass der alte Mann nicht wusste, wer vor ihm saß, er brachte wohl nur manchmal die Namen durcheinander.

 
    13
     
     
     
    Als die Maestra den Gildenrat verließ, sahen zwei Augenpaare der schlanken Gestalt in der blauen Robe nach.
    »Meinst du, sie ahnt etwas?«, fragte die Frau den schlanken, hochgewachsenen Mann an ihrer Seite. Beide saßen zum Tee in dem kleinen Pavillon im Innern der Ratshalle und sprachen einem reichen Frühstück zu, das ein eifriger

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