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Die Eule von Askir

Die Eule von Askir

Titel: Die Eule von Askir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Schwartz
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Besucherin erkannte. Es war Regata, eine ihrer Schwestern, eine weitere Ziehtochter Istvans, die sie seit Jahren nicht mehr gesehen hatte. Sie war drei Jahre älter als Desina und besaß heute wenig Ähnlichkeit mit ihrem früheren Selbst. Sie war gertenschlank gewesen, jetzt verbargen sich unter dem Leinenkleid üppige weibliche Formen. Regata war zu einer wunderschönen Frau herangereift, kein Wunder, dass einige der Soldaten verstohlene Blicke zu ihr hinüberwarfen. Sie entsprach ziemlich genau dem geltenden Ideal der Schönheit.
    Desina unterdrückte einen Seufzer und ein leichtes Gefühl von Neid. Sowohl die magischen Übungen als auch das tägliche Waffentraining schienen zu verhindern, dass sie jemals diese begehrten Formen annahm. Sie konnte essen, so viel sie wollte, ihr eigener Busen würde nie mehr als eine Handvoll ausmachen, und obwohl sie an Muskeln gewonnen hatte, blieb sie dünn und dürr.
    Es war eine unverhoffte Freude, Regata zu sehen. Hatte nicht Istvan etwas davon erzählt, dass sie mit einem der Soldaten der Hafenwacht verlobt war? Dieses eine Mal bedauerte Desina, dass sie ihre Besucherin nicht in den Turm bitten konnte.
    Sie zog die Kapuze in ihr Gesicht und trat heraus. Für Regata musste es so aussehen, als träte sie einfach durch die geschlossene Tür. Sie ließ sich nichts anmerken, sondern strahlte übers ganze Gesicht.
    »Desina! Es ist also wahr! Du bist eine echte Eule geworden!« Sie ließ den Korb fallen, und bevor Desina sich versah, fand sie sich zum zweiten Mal an diesem Tag in einer Umarmung wieder, die ihr fast den Atem raubte. Diesmal wurde Desina von den Gefühlen nicht übermannt, sie spürte nur die Freude, die Regata beim Wiedersehen empfand, eingetrübt von einem sorgenvollen Unterton.
    Eines war klar, dachte Desina, als sie sich verlegen aus der Umarmung ihrer Ziehschwester löste: Die Robe stellte sicher, dass man keinen falschen Freunden auf den Leim ging.
    »Was bringt dich hierher?«, fragte Desina atemlos. Und dann: »Du bist wunderschön!«
    Regata lachte verlegen, wurde rot und sah verschämt zur Seite. »Danke, das sagt Karjan auch immer. Ich habe meine Zweifel, ob das so stimmt…«
    Karjan musste wohl ihr Verlobter sein.
    »Ich würde dich gerne hereinbitten, aber…«
    »Ich weiß«, sagte Regata und musterte Desina. »Bist du gewachsen? Du kommst mir größer vor?«
    »Das werden die Stiefel sein, sie haben Absätze, um besser reiten zu können«, erklärte Desina und bückte sich, um Regatas Korb aufzunehmen. »Was führt dich zu mir?« Sie hielt Regata den Korb hin, doch die hob abwehrend die Hände.
    »O nein, der ist für dich«, sagte sie verlegen. »Ein paar Kleinigkeiten…«
    Desina schlug das Tuch zurück und sah Obst, Brot, Schinken und Käse sowie eine Schale mit Pilzen, die sie so gern gemocht hatte.
    »Lass uns dort drüben hingehen«, meinte Desina und wies auf eine Bank nicht weit vom Turm. »Und dann sagst du mir, was du von mir willst.«
    »Bin ich so leicht zu durchschauen?«, fragte Regata verlegen, als sie Desina zu der Bank folgte. »Ich will beizeiten, dass du mir den Schleier hältst. Aber es hat noch Zeit, ich habe meine Aussteuer noch nicht ganz zusammen, auch wenn Istvan großzügig ist.« Sie schaute auf ihre Hände herab.
    Desina hatte ganz vergessen, dass Regata selten direkt zum Punkt kam. »Was führt dich also hierher?«, fragte sie erneut.
    »Abgesehen davon, dass ich dich vermisst habe?«, fragte Regata, aber auch ihr schien im gleichen Moment aufzufallen, dass es gewiss schon früher Gelegenheiten für einen Besuch gegeben hätte. Umgekehrt hätte auch Desina öfter Istvan und ihre Schwestern besuchen können, aber es gab hier immer so fürchterlich viel zu tun.
    »Es geht um eine Freundin von mir«, fuhr Regata etwas eilig fort. »Sie ist die Schwester von Karjan, also Familie. Oder fast Familie. Sie heißt Marja und arbeitet in der Taverne Zum Trockenen Anker. Drüben auf der anderen Hafenseite, fast direkt neben der Hafenwacht.«
    Desina nickte. Sie kannte den Ort. Es war eine der besseren Tavernen im Hafen, dennoch würde kaum jemand in der Oberstadt sie als respektabel ansehen. Sie wurde vorwiegend von den Soldaten der Hafenwacht frequentiert oder den höheren Dienstgraden der Handelsschiffe. Einfache Seeleute konnten sich die Preise dort nur selten leisten.
    »Was ist mit ihr?«, fragte Desina, die schon ahnte, worauf das hinauslief.
    »Karjan begleitet sie oft nach Hause, wenn die Taverne geschlossen wird. Meist

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