Die Eule von Askir
die andere war, fast ebenso wichtig, ein bequemes Bett.
Nach allem, was heute geschehen war, wäre es nicht gut gewesen, den ganzen Tag zu verschlafen. Aber das musste sie auch gar nicht.
Viele der Übungen, die sie aus den Texten und Büchern der Maestros gelernt hatte, hatten sich ihr zwar noch nicht so ganz erschlossen, dennoch zog sie Nutzen aus ihnen. Eine dieser Übungen diente dazu, einen Kristall magisch einzustimmen. Wozu man das tun sollte, was anschließend mit dem Kristall geschehen konnte oder sollte, das wusste Desina noch immer nicht. Der Nebeneffekt jedoch war, dass die Meditation, die Geist und Körper des Maestros in den Einklang mit der Magie bringen sollte, sie erfrischt und ausgeruht zurückließ, als hätte sie eine ganze Nacht geschlafen.
Als Desina jetzt die Augen öffnete, verriet ihr ein Blick aus dem Fenster, dass vielleicht eine Kerze vergangen war, seitdem sie sich in den Zustand der Zentrierung begeben hatte. Sie lächelte, gähnte und streckte sich.
Sie rollte sich aus ihrem Lager, nahm ihr Schwert auf und ging die Treppe hinunter. Am Fuß des Turms befand sich ein kleines Nebengebäude, fast ein Häuschen, mit der Küche und einem weiteren Quartier, das des Adjutanten. Jetzt aber war die Küche ihr Ziel.
Sie entzündete den Herd mit einer Geste und setzte Wasser auf. Es war Zeit für einen Tee. Danach nahm sie ihre Tasse, ging hinüber in die offene Bibliothek, nahm sich das Werk über die Macht der Sinne, an dem sie zurzeit arbeitete, und ging zurück in die Küche, die sie von allen Räumen am meisten liebte.
Desina hatte sich schon vor geraumer Zeit einen großen Ledersessel und eine Fußbank hier hereingewuchtet, darauf machte sie es sich jetzt bequem und fing an zu lesen. Schließlich bestand ihr Auftrag ja darin, Dinge herauszufinden.
Abgesehen davon war dieses Werk von dem größten Magier der Eulen verfasst worden. Er hieß Balthasar, und wenn es jemals eine Eule gegeben hatte, die an die Macht des Ewigen Herrschers heranreichte, dann war er es. Dass er damals mit der Zweiten Legion in den primitiven Südlanden verloren ging, vielleicht sogar von einem dieser ungewaschenen Barbaren, die es dort gab, erschlagen wurde, war ein großer Verlust für die Eulen gewesen. Davon hatten sie sich nie wieder erholt.
Wenn das nicht geschehen wäre, dessen war sich Desina sicher, hätte Balthasar herausfinden können, wie man den Fluss der Welten wieder zum Fließen bringen konnte.
Seine Worte berührten sie immer ganz besonders, er schrieb so klar und verständlich, zeigte den Weg mit so einfachen und dennoch genialen Beispielen, dass es ihr immer ein besonderes Vergnügen war, seine Werke zu lesen.
Deshalb hatte sie ja auch sein Zimmer gewählt. Wenn sie in seinem Bett schlief, schien es ihr oft, als wäre er ihr nah. Irgendetwas war in seinem Zimmer anders als in den restlichen. Die anderen waren tot und leer, ohne Geist und Seele. Sein Zimmer wirkte so, als ob es nur darauf wartete, dass er zurückkehrte.
Die Glocke weckte sie, sie musste wohl doch wieder eingeschlafen sein. Desina legte das Buch sorgfältig zur Seite, stand auf und sah nach, wer da störte.
Eine junge Frau stand geduldig vor dem Durchgang und wartete. Sie war einfach gekleidet, trug einen Weidenkorb am Arm und sah sich mit großen Augen im Zitadellenhof um. Sie beobachtete die Kampfübungen der Soldaten dort drüben auf dem Übungsplatz, der sich keine hundert Schritte vom Turm entfernt befand.
Desina konnte es nachvollziehen. Weiter oben im Turm gab es ein Fenster, und von dort aus hatte sie selbst oft stundenlang zugesehen. Die Soldaten, die hier trainierten, gehörten zu den besten der Reichsstadt, und oft wirkten die Waffengänge wie ein sorgsam einstudierter Tanz.
Erst als sie selbst dort hatte stehen und lernen müssen, sich gegen einen weit überlegenen Gegner zu verteidigen, verstand Desina, wie viel Arbeit, Schweiß, Schmerz und auch Blut ein Soldat dafür bezahlte, um dem Ersten Bullen anzugehören, der Einheit, die traditionell die Leibgarde des Imperators stellte und zusammen mit dem fünften Bullen den Schutz der Zitadelle gewährleistete.
Die junge Besucherin verzog das Gesicht, als ein harter Schlag mit dem stumpfen Ende eines Kampfstabs einen der jungen Soldaten in die Magengrube traf und ihn niederstreckte. Sie wandte sich ab und sah den Turm hinauf. Nicht dass es dort etwas zu sehen gab. Die wenigen Fenster waren von außen nicht zu erkennen.
Es dauerte einen Moment, bis Desina ihre
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