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Die Eule von Askir

Die Eule von Askir

Titel: Die Eule von Askir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Schwartz
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Turm einzog. Ein magischer Turm, ganz für sie allein. Mit Räumen und Gängen, Sälen, Kisten und Schränken, mit endlosen Regalen und Büchern, Schriftrollen, weichen oder harten Betten, magischen Räumen, in denen heißes Wasser in eine Wanne floss, einem Abort, der niemals übel roch oder geleert werden musste. Ein Turm voll mit all den Dingen, welche die Eulen in sechshundert Jahren als so wichtig, wertvoll oder schön erachtet hatten, dass sie diese in ihren Turm brachten.
    Es gab Fenster, die man von außen nicht sah, es gab in den Kaminen Feuer, mit dem man reden konnte, es gab endlos viel zu finden, zu entdecken oder zu verstehen. Jedoch öffneten sich die meisten Türen nicht für sie, und es war nicht möglich, etwas mit hinauszunehmen, das ihr nicht gehörte. Es schien, als ob auch nach all den Jahren die Magie immer noch darüber wachte, dass eine Eule den Turm nur mit dem verlassen konnte, was sie sich selbst mit ihren Studien verdient hatte.
    Also musste sie lernen, sich das Wissen zu verdienen.
    Ein anderes Problem lag noch darin, dass niemand so richtig wusste, wie eine Eule auszubilden war. Man wusste nur, dass es für jeden Grad der Magie eine Prüfung gab. Niemand konnte ihr helfen, denn sie war die Einzige, die in der Lage war, den Turm zu betreten. Also suchte sie erst die Prüfungen, dann die Texte und Bücher, die sie einsehen konnte. Dann suchte sie nach Möglichkeiten, sich diesen Prüfungen zu stellen.
    Dabei entstand ein neues Problem. Diese Prüfungen stammten aus der Zeit, als der Fluss der Welten noch floss. Ohne aus dem Weltenstrom schöpfen zu können, waren sie unermesslich schwer. Nur durch das Verständnis des Wirkens der Magie, nur durch Geschick und Wissen, nicht durch Kraft, gelang es Desina, die Prüfungen der ersten beiden Grade zu bestehen. Dies erlaubte ihr, weiter in die Geheimnisse des Turms vorzudringen und mehr zu lernen. Doch die Prüfung des dritten Grades war lange unlösbar für sie, bei allem Geschick und Verständnis, bei aller Übung und Konzentration war sie nicht in der Lage, genügend magische Kraft in sich zu sammeln, um sie zu bestehen.
    Es gab einfach nicht mehr genug Magie dafür, der Weltenstrom war schon lange versiegt, und was übrig geblieben war, reichte kaum, um eine Kerze zu entzünden.
    Etwas musste Desina jedoch von anderen unterscheiden, die einst hier die Magie erlernt hatten. So oft wie sie sich an diesen Prüfungen versucht hatte, war es nichts weniger als ein Wunder, dass sie nicht selbst im Fanal endete.
    Istvan hatte ihr zwar die Grundlagen der Schrift beigebracht, aber das, was er sie lehren konnte, reichte bei weitem nicht aus, um die Mysterien des Turms zu ergründen. Aber Schrift und Zahlen, Sprachen und Lettern, hierfür war es Desina möglich, Lehrmeister zu finden. Von ihnen war es Orikes, der oberste Schreiber der Federn, dem sie am meisten verdankte.
    Dass sie nicht imstande war, wie die berühmten Eulen große Magien zu wirken, war allerdings für kaum jemanden von Belang. Nicht um die magische Macht der Eulen ging es dem Kommandanten, sondern um jenes alte Wissen, das in den Archiven verborgen lag.
    Dennoch, vor zehn Tagen war sie endlich doch imstande gewesen, die Prüfung des dritten Grads zu bestehen, und dies aus nur einem einzigen Grund: Seit etwas über fünf Wochen floss der Fluss der Welten wieder. Und erst diese Prüfung erlaubte es ihr, die Robe mit der Eule auf ihrer Brust zu tragen.
    Aber noch immer sah es Desina als ihre eigentliche Aufgabe an, das alte Wissen der Eulen zu sichten und das wiederzufinden, was vor so langer Zeit verloren gegangen war.
    Wenn sie etwas herausfand, traf sie sich mit den Gildemeistern der Stadt, um ihnen geduldig zu erklären, aufzuzeigen, zu beschreiben oder gar vorzuführen, was sie entdeckt hatte. Und für jemanden, der die meiste Zeit allein in den tiefen Kellern eines alten Turms über staubigen Texten gebeugt saß, war das eine willkommene, gar heißersehnte Abwechslung, eine Gelegenheit, kurz aus dem Turm zu entkommen und etwas anderes als die weißen Mauern zu sehen.
     
     
    Eine solche Ablenkung konnte Desina jetzt gut gebrauchen. Fast eine Kerze lang hatte sie nun über diesem Wolfskopf gebrütet, ihn untersucht, versucht herauszufinden, was das Besondere an diesem Stein sein könnte. Vergebens. Es blieb ein Stück Stein, grob in die Form eines Wolfkopfs gehauen.
    Aber es stand einiges auf dem Spiel. Ein Mann war auf grausamste Art dafür gestorben, diesen Stein Wiesel zukommen

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