Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Eule von Askir

Die Eule von Askir

Titel: Die Eule von Askir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Schwartz
Vom Netzwerk:
drückt der Leutnant ein Auge zu, aber vorgestern Morgen war Karjan selbst zur Patrouille eingeteilt. Es war fast schon hell, also machte sie sich allein auf den Heimweg. Sie hat es nicht weit, sie und ihr Bruder wohnen nahe dem nördlichen Hafentor. Über der Abdeckerei, weißt du?« Sie sah wieder auf ihre Hände herab. »Karjan wird demnächst befördert, aber noch ist das Geld knapp…«
    Wieder nickte Desina. Man roch die Abdeckerei schon von weitem, vor allem im Sommer stank es oft unerträglich, die Zimmer dort waren günstiger als viele andere. Obwohl der Hafen keine gute Gegend war, herrschten hohe Preise, allein schon die Seeleute trieben sie in die Höhe, dazu kam noch, dass es in der Nähe die beiden Märkte gab. Auch ein Grund, warum Istvan so guten Umsatz machte. Die Händler wussten, dass sie in der Gebrochenen Klinge nicht befürchten mussten, ausgeplündert oder verstorben aufzuwachen.
    »Marja ist verschwunden?«, fragte Desina direkt.
    Regata nickte. »Karjan ging sie zusammen mit ein paar seiner Kameraden suchen. Der Leutnant hatte viel Verständnis und stellte Karjan sogar vom Dienst frei. Aber es sind nun schon fast anderthalb Tage, und niemand hat seitdem etwas von ihr gesehen oder gehört.«
    »Seid ihr sicher, dass sie nach Hause ging?«, fragte Desina vorsichtig. »Ich meine, vielleicht…«
    »Du brauchst nicht darum herumzureden. Ich weiß, was du meinst«, sagte Regata bitter. »Ja, manchmal hatte sie einen Gast. Es ging mir ja auch nicht anders.«
    Desina schaute ihre Ziehschwester überrascht an. »Weiß Istvan davon?«
    Regata schüttelte beschämt den Kopf. »Er wäre fürchterlich enttäuscht, wenn er das wüsste. Ich habe es nur selten gemacht… und nie unter einem ganzen Goldstück.«
    Unwillkürlich musste Desina an Baronet Tarkan, den aldanischen Gesandten, denken und was der Stabsobrist ihr über seine Gepflogenheiten berichtet hatte.
    »Du weißt nicht, wie das ist, Desina.« Regata klang nun auch verbittert. »Du lebst hier in diesem Turm, und es mangelt dir an nichts…«
    »Regata«, sagte Desina sanft, auch wenn die Worte ihrer Ziehschwester sie trafen. »Ich war nur überrascht. Also, ihr seid sicher, dass sie keinen Gast hatte?«
    »Ja«, antwortete Regata ohne Zögern. »Marja war verliebt, in den Ersten Maat eines Schwerthändlers.«
    »Lag sein Schiff im Hafen?«
    »Nein, es wird erst in zwei oder drei Wochen wieder einlaufen.« Regata sah sie direkt an. »Sie wollte nach Hause. Nichts sonst. Es muss ihr etwas zugestoßen sein. Als ich von Marie hörte, dass du… Du bist eine Eule, du kannst sie finden!« Sie schaute zur Seite. »Du hast ja sowieso immer alles gekonnt, was du wolltest«, fuhr sie leise fort. »Hilfst du uns?«
    »Natürlich«, antwortete Desina und sah ihre Ziehschwester nachdenklich an. »Was hast du eben gemeint?«
    Regata sah unbehaglich hoch. »Dass Istvan immer so stolz auf dich ist. Ich wollte, er wäre auch stolz auf mich. Aber was habe ich schon erreicht? Er hat keinen Grund, stolz auf mich zu sein!«
    Desina zog Regata zu sich heran. »Glaub mir, er ist stolz auf dich«, teilte sie ihr leise mit. »Ich habe gehört, wie er von dir spricht.«
    Regata fing an zu weinen, leise und still, mit dem Gesicht an Desinas Schulter. Diesmal fühlte Desina, was ihre Ziehschwester fühlte, die ganzen Ängste, die Furcht, dass Karjan aufhören würde, sie zu lieben, dass Istvan sie verachten könnte… Über Regatas Schulter hinweg sah sie zu dem weißen Turm hinüber, der ihr im Moment selbst stolz und unnahbar erschien.

 
    15
     
     
     
    »Hier entlang, bitte«, sagte die junge Frau mit einem interessierten Lächeln.
    Tarkan wusste, wer sie war, Prinz Tamin hatte ihm von ihr erzählt. Sera Melande, die Tochter des Botschafters. Sie war etwas kleiner als Tarkan, hatte langes, gewelltes, schwarzes Haar, das sie zu einer kunstvollen Frisur hochgebunden hatte, und trug ein elegantes Kleid mit bestickten Säumen, das sie hier erstanden haben musste, denn die Art, wie der feine Stoff ihre weiblichen Reize betonte, hätte man in Aldane als gewagt bezeichnet. Ihre grauen Augen musterten den Baronet interessiert. »Sie ist zwölf und vier«, hatte Tamin ihm gesagt. »Ihre Mutter ist seit Jahren tot, und sie ist genauso stur wie ihr Vater. Sie lehnt sich gegen ihn auf und scheut sich auch nicht davor, ihn zu brüskieren. Es geht das Gerücht um, dass sie bereits mehrere Affären hatte, manche nur aus dem Grund, ihn in Rage zu versetzen. Seid vorsichtig mit ihr,

Weitere Kostenlose Bücher