Die Eule von Askir
erfüllen, werdet Ihr sehr schnell feststellen, dass diese Stadt außerhalb jeder Erfahrung liegt, die Ihr bis jetzt habt sammeln können.« Sein gutes Auge funkelte erzürnt. »Bis jetzt habt Ihr mich nicht beeindruckt. Es scheint, als ob Ihr schneller lernen müsst, wie in dieser Stadt die Dinge stehen!«
»Das war mir schon vorher bewusst, Ser«, antwortete Tarkan ruhig. »Jeder sagte mir, dass die Reichsstadt nicht mit anderen Städten verglichen werden kann.«
»Askir ist die goldene Hure der sieben Reiche«, fuhr der Botschafter grimmig fort. »Sie verspricht jedem, der zwischen ihren Lenden liegt, Reichtum und Wohlstand, und dennoch ist sie es, die unser Reich aussaugt wie ein Dämon, der sich von unserem Herzblut nährt. Sie führt uns auf jede Art in Versuchung, hält für uns jede Art von Wollust bereit! Sie blendet unseren Blick und täuscht uns, während sie uns noch keck mit ihren Röcken ködert. Seit siebenhundert Jahren hält sie uns in ihrem Griff, verspricht Frieden und ungeahnte Freuden, wenn wir nur ihr Lager teilen. Dieser Vertrag ist eine Schande für unser Reich, eine goldene Fessel, die uns schwach und verweichlicht unter ihren Röcken gebunden hält. Es gibt nicht den geringsten Grund, irgendetwas zu glauben, was Euch jemand hier erzählt.«
Der Botschafter verstand es zumindest trefflich, weitschweifig mit Worten umzugehen, dachte Tarkan etwas säuerlich, während er seine gerade Haltung beibehielt und darauf achtete, dass man keinen seiner Gedanken in seinem Gesicht erkennen konnte. Jetzt ging es nicht mehr um den Diener, sondern um den Vertrag von Askir, wie ungerecht der doch das Königreich Aldane knebeln würde.
Prinz Tamin, das wusste Tarkan, dachte nicht im Traum daran, den Vertrag von Askir zu lösen. Zu groß waren die Vorteile, die dem Königreich daraus erwuchsen, auch wenn es einige Punkte gab, die schon immer für Unzufriedenheit im Reich gesorgt hatten. Dennoch wogen in Tamins Augen die Vorteile die Nachteile auf. Seine Mutter, die Königin, hatte genauso gedacht, deshalb verwunderte es Tarkan, den Botschafter so reden zu hören, denn er galt als ihr Anhänger und war einer ihrer engsten Vertrauten gewesen.
»Aber das ist nur meine private Meinung«, fuhr der Botschafter fort. »Ich weiß, wie der Prinz denkt, und auch wenn ich seine Meinung nicht teile, bin ich der Botschafter unseres Reichs und spreche für den Prinzen und nicht für mich.« Der Blick aus dem einen klaren Auge schien sich noch tiefer in Tarkans Hirn bohren zu wollen. »Ihr gehört unverständlicherweise zu den engsten Beratern des Prinzen. Ich nehme an, dass Ihr seine Meinung teilt. Nun, jetzt kennt Ihr die meine. Bevor der Kronrat tagt, werdet Ihr Zeit genug haben, Euch Eure eigene Meinung zu bilden.«
»Mit Verlaub, Botschafter, meine Aufgabe ist es, für die Sicherheit unseres Lehnsherrn zu sorgen, während er dem Kronrat beiwohnt«, antwortete Tarkan so neutral er konnte. »In allem außer dem, was meine Aufgaben direkt berührt, ist Eure Meinung für mich nicht von Belang.«
Der Botschafter musterte ihn einen langen Moment, nickte dann und lächelte überraschend. Er zeigte dabei gelbe Zähne und einen abgebrochenen Eckzahn, der ihn des Nachts sicherlich plagte. »Also hat der Welpe doch schon Zähne! Nun, Baronet, zur Sache. Ihr seid auf diesem Stockwerk einquartiert. Es ist meine private Zimmerflucht, also habt Ihr immer Zugang zu mir, wenn Ihr meine Hilfe oder meinen Rat benötigt. Um Euch zu unterstützen, stehen Euch vierzehn gut ausgebildete Soldaten der Garde zur Verfügung. Ihre Loyalität ist über jeden Zweifel erhaben, und sie sind bereit, für den Prinzen zu sterben. Wenn Ihr Informationen braucht, wendet Euch an Ser Geron, meinen Sekretär. Wenn Ihr Dinge wissen wollt, die unsere Gastgeber uns gern verheimlichen, ist er der rechte Mann für Euch. Wenn jemand in der Zitadelle hustet, hören wir es. Wir haben nicht viele Spione, aber uns gelang es vor ein paar Jahren, uns der Dienste eines hochrangigen Mitglieds des Fünften Bullen zu versichern.«
»Ich dachte, wir wären mit der Reichsstadt verbündet«, meinte Tarkan, auch wenn er nicht überrascht war. Prinz Tamin hatte so etwas angedeutet und darauf hingewiesen, dass er einen äußerst diskreten Umgang mit diesen Dingen wünschte.
»Sicherlich. Wir sind die besten Freunde, das weiß ein jedes Kind«, schnaubte der Botschafter. »Das bedeutet allerdings wohl kaum, dass uns Kommandant Keralos über alles informiert, was für uns
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