Die Eule von Askir
anderen Barden ausstechen, um den Auftritt zu bekommen. Bislang ist der Mann dort nicht auftaucht.«
»Habt Ihr den Baronet deswegen in die Rose bestellt, Taride? Weil Ihr denkt, dass sich dort noch etwas tun wird?«, fragte Wiesel.
»Vielleicht«, entgegnete Taride mit einem Lächeln, das Wiesel nur schwer deuten konnte. »Wenn er mich überzeugt, kann ich ihm vielleicht vertrauen. Er soll gut sein mit dem Schwert.«
»Das habe ich auch gehört«, sagte Wiesel und sah sie prüfend an. »Braucht Ihr Schutz?«, fragte er dann.
»Nein«, antwortete Taride knapp. »Und jetzt verschwindet, die beiden Seeschlangen dort drüben sehen uns schon misstrauisch an, und ich will nicht, dass mein Ruf unter unserer Bekanntschaft leidet.«
»Bekanntschaft? Ich dachte, wir wären Freunde, Taride«, sagte Wiesel in übertrieben verletztem Tonfall, während er sich hinter sie duckte.
»Das hättet Ihr wohl gern… Wiesel?« Taride schaute sich um und zog überrascht eine Augenbraue hoch. Obwohl es hier dicht gedrängt zuging, hätte sie Wiesel sehen müssen, eben war er ja noch hier gewesen, aber jetzt war er spurlos verschwunden.
21
Ein klammes Gefühl beschlich Desina, als sie die Mauern der Hafenwacht vor sich liegen sah. Der gleiche Bauplan lag auch Istvans Herberge zugrunde, aber hier wehte noch der Drache über den Zinnen des Trutzturms, und schon aus der Ferne sah sie die beiden Seeschlangen, die vor dem Tor Wache hielten.
Dieser Bereich des Hafens wurde vor allem durch die Reichsflotte genutzt, zurzeit lagen hier gut ein Dutzend schnelle Schwertschiffe und vier der mächtigen Galleassen vor Anker, letztere meist mit bis zu acht schweren Bailisten bewaffnet. Die Hafengarnison bewachte auch den Zugang zur Werft, die mit ihren zehn Slips die größte bekannte Schiffsbauanlage war. Die Aktivitäten dort waren auch für Desina überraschend: Auf jedem Slip wurde mit Eifer am Rumpf einer großen Kriegsgaleone gearbeitet, weitere vier neue Galeonen lagen an den Piers vertäut und wurden ausgerüstet.
Von Istvan wusste Desina, dass die Flotte und damit auch die Seeschlangen die einzige Streitkraft der Reichsstadt war, die seit der Abdankung des Ewigen Herrschers eher noch angewachsen war.
Dementsprechend bevölkerten viele Marinesoldaten die Kaianlagen hier an der Nordseite des Hafens und sorgten bei den Geschäften, Handelshäusern und Tavernen in der Gegend für einen stetigen Umsatz. Wer es sich von den Schiffern oder Handelshäusern leisten konnte, ankerte hier, denn die Nähe zur Hafengarnison bot zumindest in der Nacht ein Minimum an Sicherheit. An den großen Kais der Handelshäuser lagen die schweren Handelsgaleonen, die oftmals mehrere Tage zum Löschen ihrer Ladung benötigten. Hier an der Nordseite war es eher üblich, dass ein schnelles Schwertschiff anlegte, die Ladung löschte, neue Ware aufnahm und noch am gleichen Tage wieder auslief.
Es war die beste Gegend im Hafenbereich, dennoch zog sich Desinas Magen zusammen, als sie und Santer sich der Garnison näherten.
Sie erinnerte sich noch sehr genau daran, wie sie vor fast vierzehn Jahren von einem Paar harter Hände genau hier entlang gezerrt worden war, hilflos im festen Griff der zwei Marinesoldaten, die sie am unteren Markt ergriffen hatten, als sie einen fetten Händler um seinen Beutel erleichterte. Woher hätte sie wissen sollen, dass der Händler keiner war, sondern ein Hauptmann der Seeschlangen?
Sie war damals noch ein Kind, doch das schützte sie nur zum Teil vor dem Gesetz. Wäre sie ein wenig älter gewesen, hätte sie ihre Hand verloren, so aber hatte sie nur zu befürchten, dass ein Scharfrichter ihr jeden Knochen in der linken Hand brach, oder ihr das Ohr schlitzte. Ihr Schicksal schien unausweichlich, und sie erinnerte sich noch viel zu gut an die Angst und die Panik, die sie damals empfunden hatte.
Doch einem Schiff, das hier die Ladung löschte, war ein Tau am Mast gerissen, und das Netz mit der schweren Holzladung fiel herab. Eine der geschnittenen Bohlen traf den Soldaten, der sie festhielt, und verletzte ihn schwer.
Desina entkam, obwohl gut ein Dutzend Seeschlangen ihr nachrannten. Es gelang ihr, sich im Wasser unter einem Schiff zu verstecken und sich stundenlang an das Ruder zu klammern, auch als man die Suche längst aufgegeben hatte.
So deutlich waren die Erinnerungen, dass sie Mühe hatte, die Ruhe zu bewahren; ihr Puls raste, und ihre Hände waren klamm. Mehr als ihr halbes Leben lag zwischen dem Moment vor
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