Die Eule von Askir
nachzudenken. Also wich er zur Seite aus, aber das war nur eine Finte, und beinahe schneller, als man zuschauen konnte, zog sein Dolch eine schimmernde Spur durch die Nacht, die in Hiras Hals endete. Zu Wiesels Entsetzen fühlte es sich jedoch an, als hätte er die Klinge in einen Block aus Holz gerammt.
Anstatt tödlich getroffen zu Boden zu sinken, zog der Mann Wiesels Dolch aus seinem Hals, warf ihn beiseite und lachte. »Willst du spielen, kleiner Mann?« Er schlug wieder zu, doch Wiesel trug seinen Namen nicht umsonst. Der Mann war schnell, wesentlich schneller, als er es sein dürfte, aber Wiesel war ebenfalls nicht träge. Der andere traf ihn nur fast. Fast war jedoch genug, um Wiesel wieder quer über den Innenhof zu schleudern. Sein neues Wams riss, mindestens eine Rippe brach, und er wunderte sich, woran man so alles denken konnte, während ein Ungeheuer einen in den Boden zu rammen versuchte. Einer dieser Gedanken war, dass es vielleicht besser wäre zu fliehen, aber er glaubte nicht daran, dass das helfen würde. Also konzentrierte er sich auf einen anderen Gedanken. Was auch immer der Kerl war, er konnte nicht unbesiegbar sein. Daran, verlieren zu können, dachte Wiesel nicht. Denn dann hätte er schon verloren.
In den nächsten Sekunden, den längsten seines Lebens, lernte Wiesel ein paar Dinge über seinen Gegner. Wie immer das auch möglich war, die Haut des Mannes war hart wie Holz. Außerdem war er unglaublich behände.
Aber noch wichtiger: Er war auch unvorsichtig. Ohne die erstaunliche Härte seiner Haut hätte ihn Wiesels nächster Dolchstoß direkt vor die Tore Soltars geworfen. Aber es war Wiesel, der wieder durch die Luft flog und diesmal sogar einen Teil der Mauer mitnahm, als er durch sie hindurchkrachte.
Man nimmt, was man bekommen kann, dachte er, also warf er einen der Mauersteine nach dem Ungeheuer, während er eilig zur Seite rollte und den Dolch, den er beim Sturz verloren hatte, aus dem Schutt fischte. Der Mann schrie auf, und Wiesel lernte noch etwas über den Gegner: Seine Augen waren verletzlich.
Blutend, mit gebrochenen Rippen, einem Auge, das bereits anschwoll und ihm die Sicht zu rauben drohte, lachte Wiesel grimmig.
Doch wieder war der Gegner schneller als erwartet, oder Wiesel war langsamer geworden. Der nächste Schlag traf ihn hart an der Brust, und während sein Dolch zur Seite davonflog, landete er erneut auf harten Steinen. Wieder hörte er eine Rippe brechen.
Er spuckte Blut und grinste breit. »Komm doch«, rief er, konnte aber nicht verhindern, dass er auf seinen Füßen wankte. Wie konnte ein Mann nur so hart zuschlagen? Der Gegner grinste breit zurück und griff sich an den Hals, um dort seinen Umhang zu berühren. Ungläubig sah Wiesel zu, wie sich der Umhang von den Schultern löste und sich wie eine riesige Fledermaus auf ihn stürzte. Vielleicht hätte Wiesel es sogar geschafft, dem Ding auszuweichen, aber zuvor erfüllte plötzlich ein Knattern wie von tausend Donnerschlägen die Luft, gleißend helle Blitze durchbohrten den lebenden Umhang, und ein schreckliches, hohes Quietschen ließ beinahe Wiesels Ohren bluten. Zuckend und qualmend fiel der schreckliche Umhang zu Boden.
Taride landete federnd neben Wiesel und warf ihm ein schnelles Lächeln zu, ohne dass sie die Augen von Hiras nahm, der entgeistert die Reste des Umhangs ansah, der sich noch immer auf dem Boden wand und diese schrecklichen Laute von sich gab. Dann, mit einem lauten Schrei, stürzte sich Hiras auf die Bardin, und wieder erschütterte Donner den verlassenen Hinterhof und gleißten die Blitze.
Der Mann stand still und schüttelte sich, dann lachte er laut. Er streifte sich ein Stück qualmende Kleidung von den Schultern, bleckte die Zähne und hob die Hand zum Schlag. Das war dann der Moment, in dem Wiesel ihn von hinten ansprang und ihm seinen Glückbringer, den Dolch der Dame aus Xiang, in das rechte Auge rammte.
Etwas Erstaunliches geschah. Für einen Moment erschien es Wiesel, als ob die Gravur des Dolches, ein springender Tiger, rot aufleuchtete. Dann, als stände er in der Esse einer großen Schmiede, zerbarst der Mann in einer Säule aus Feuer und mit einem lauten Fauchen. Langsam hob die brennende Gestalt die Hände an den Dolch in ihrem Auge. Wiesel befürchtete schon, der Gegner würde auch das überleben, dann geschah etwas ganz und gar Unerwartetes: In den lodernden Flammen formte sich plötzlich das Antlitz eines jungen Mädchens, das Wiesel zulächelte, gefolgt von dem
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