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Die Eule von Askir

Die Eule von Askir

Titel: Die Eule von Askir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Schwartz
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eines ernsten jungen Mannes, der dem Dieb einen langen Moment dankbar in die Augen schaute, bevor auch er verschwand.
    Wie ausgeglühte Asche fiel der Mann zu Boden und zerbrach in tausend Stücke.
    Langsam beugte sich Wiesel vor und nahm seinen Dolch beim Heft. Noch immer steckte die Klinge in dem ausgeglühten Schädel. Wiesel schlug den Schädel auf den Boden, bis er auseinanderbrach und den Dolch freigab, den Wiesel an seinem ruinierten Wams abputze und dann wieder in der Scheide hinter seinem Nacken verschwinden ließ.
    »Was, bei allen Göttern, war das?«, hauchte er, während er sich mit zitternden Knien an die nächste Wand lehnte, um langsam daran herabzurutschen, bis er auf dem Boden saß und mit großen Augen zu der Bardin hochsah. Sie erschien ihm ebenfalls seltsam verändert. Es war unbestreitbar Taride, doch ihre Gesichtszüge waren noch ebenmäßiger als sonst, und ihre Augen leuchteten rot im Dunkel der Nacht. Vielleicht hatte er es sich auch eingebildet, denn als sie sich vor ihn hinkniete, war sie wieder so, wie er sie kannte, die Frau mit der schönsten Stimme von Askir.
    »Das, mein Wiesel«, teilte sie ihm leise und fast ehrfürchtig mit, »war das, was ihr Menschen einen Verfluchten nennt. Einen Seelenreiter, einen Nekromanten.« Sie schaute Wiesel fragend an. »War es der Verfluchte, der Jenks ermordet hat?«
    »Ich glaube nicht«, antwortete er und sah zu der Stelle im Schatten, wo der andere Mann gestanden hatte. »Sonst hätte er mich meinen eigenen Dolch fressen lassen.«
    Sie schaute zu den Resten des Mannes und seufzte. »Es wäre zu schön gewesen, wenn Ihr die Brut damit zerstört hättet. Aber Ihr habt wohl recht, der hier war noch jung. Wie wir gesehen haben, hat er sich nur zwei Seelen genommen. Ich denke, er hätte gern Eure als nächste geholt.«
    »Dumm von ihm«, merkte Wiesel an und tastete vorsichtig seinen Brustkorb ab. Es tat weh, was ihn nicht überraschte. Er sah noch immer zu der Stelle, an der der andere im Dunkeln gestanden hatte, aber dort regte sich nichts. Wiesel war erleichtert.
    »In der Tat«, meinte die Bardin mit einem breiten Grinsen, als sie ihm die Hand hinhielt, um ihm aufzuhelfen. »Ich denke, es war das erste Mal, dass ein gewöhnlicher Dieb einen Seelenreiter im Kampf bezwungen hat.«
    »Taride«, sagte Wiesel, als er sich mühsam an ihrer Hand hochzog und sich dann schwer an sie lehnte.
    »Ja?«
    »Ich bin kein gewöhnlicher Dieb.«
    Sie lachte. »In der Tat, das seid Ihr nicht! Geht es wieder?«
    »Ich denke schon«, meinte er. »Das wird schon wieder. Dennoch, ich denke, ich werde einen Tempel aufsuchen.«
    »Verzeiht, dass ich Euch jetzt allein lasse«, sagte die Bardin. »Aber ich habe heute noch einen weiteren Auftritt. Ich hoffe, Ihr versteht.«
    »Einen besseren als den eben werdet Ihr schwerlich hinlegen können«, meinte Wiesel trocken. »Aber versucht es dort besser mit Singen.«
    Sie lachte und eilte davon. An der nächsten Ecke blieb sie kurz stehen und warf ihm eine Kusshand zu, bevor sie verschwand.
    Wiesel sah ihr nach, hustete und stöhnte, als seine Rippen protestierten, und lachte dann leise, auch wenn es wehtat. Bei den Göttern, er mochte diese Frau! Auch wenn er noch einige Fragen an sie hatte.
    Aber jetzt… Er machte einen Schritt und fluchte, als ihn der Schmerz durchfuhr. Es half nichts, er hatte heute Nacht noch einiges zu tun. Also tat er den nächsten Schritt und dann den nächsten.
     
     
    Eigentlich tut es nicht weh, dachte er zähneknirschend, als er lautlos wie ein Schatten die Außenwand der aldanischen Botschaft erklomm. Ich muss es mir nur oft genug sagen, vielleicht glaube ich es dann auch. Er erreichte die Kante der Mauer und gönnte sich dort eine kleine Atempause, die brauchte er auch, denn gebrochene Rippen besaßen die schlechte Angewohnheit, beim Atmen zu stören. Er sollte nicht hier sein, sondern in einem Tempel, oder, was billiger wäre, einen Arzt aufsuchen. Warum mache ich das nur?, fragte er sich und gab sich sogleich selbst die Antwort: Weil die Botschaft auf dem Weg lag und er neugierig war. Außerdem hoffte er, Hinweise auf den zweiten Wolfskopf zu finden. Vielleicht lag er ja in Jenks Zimmer versteckt. Welches das war, wusste Wiesel nicht, aber irgendwo musste er ja mit der Suche anfangen.
    Gute vier Mannshöhen unter ihm ging einer der Gardisten vorbei, natürlich kam er nicht auf die Idee, nach oben zu schauen. Dass so wenige Menschen nach oben sahen, überraschte Wiesel immer wieder.
    Wie viele

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