Die Euro-Lügner: Unsinnige Rettungspakete, vertuschte Risiken - So werden wir getäuscht (German Edition)
Nur wer genau hinsieht, bemerkt, dass hier ein Blender am Werk ist.
Wie sehr der Euro auch in anderen Nicht-Euroländern an Attraktivität eingebüßt hat, erfuhr ich bei einer Konferenz nahe Stockholm, die Mitte 2012 von einer Stiftung veranstaltet wurde. Hier traf ich viele Bekannte wieder, darunter John Adams, einen Kollegen aus alten IBM -Zeiten, und den Zeit -Herausgeber Josef Joffe.
Während der Gespräche, die wir in der Mittsommernacht im Freien führten, erinnerte ich mich sehr lebhaft an einen früheren Besuch in Schweden. Damals, Ende der Neunzigerjahre, als ganz Europa sich auf die bevorstehende Einführung des Eurogeldes freute, hatte mich der Präsident des schwedischen Industrieverbandes eingeladen. Er brauchte dringend Schützenhilfe zugunsten des Euro. Seit Längerem führte er einen einsamen Aufklärungsfeldzug, um seine Landsleute von der Notwendigkeit der europäischen Gemeinschaftswährung zu überzeugen. Da er mich als Befürworter kannte, hoffte er auf Unterstützung bei seinen Kollegen. In einer sehr gepflegten, geradezu altehrwürdigen Umgebung, vermutlich der Stockholmer Handelskammer, hielt ich eine Rede. »Leute«, sagte ich sinngemäß, »selbst wenn ihr gegen den Euro seid – sobald er da ist, müsst ihr ihn auch haben. Sonst würdet ihr in Europa marginalisiert werden.«
Die Reaktion war enttäuschend. Freundlicher Beifall, aber nicht mehr. Kaum einer der Unternehmer, mit denen ich hinterher sprach, stimmte mir zu. Und ich musste begreifen: Europa fiebert dem Euro entgegen, doch die Schweden zeigen ihm – und damit Europa – die kalte Schulter.
In jener Mittsommernacht im Jahr 2012 traf ich wieder mit schwedischen Industriellen zusammen. Sie ließen mich ihre Genugtuung spüren, damals richtig entschieden zu haben. Kaum einer hatte ein gutes Wort für den Euro. Laut der neuesten Umfrage, so sagten sie, seien 73 Prozent der schwedischen Unternehmer und 91 Prozent der Bevölkerung gegen den Euro. In diesem Zusammenhang erfuhr ich auch, dass sich der Präsident des Industrieverbandes, der mich damals zu Hilfe gerufen hatte, bei den Schweden dafür entschuldigt hat, ihnen den Euro ans Herz zu legen. Heute entschuldige ich mich bei den Deutschen dafür, damals für eine Währung geworben zu haben, von der ich heute weiß, dass sie nicht nur unserem Land, sondern ganz Europa sehr viel mehr schadet als nützt.
Obwohl vielen Politikern längst dämmern dürfte, was sie mit dem Euro angerichtet haben, denkt keiner daran, dies einzugestehen. Einen Fehler gesteht man nicht ein. Wenn man ihn begangen hat, hält man daran fest wie ein Hund, der sich in einen Knochen verbissen hat. Und warum? Vermutlich aus einer Mischung aus Eitelkeit und Rechthaberei. Denn wer einen Fehler zugibt, ist schwach, hat versagt, tritt zurück. Wer den Fehler nicht zugibt, muss nicht zurücktreten. Und Rücktritt ist für einen Karrieristen der Albtraum schlechthin – man verzeihe mir, dass ich »Karrierist« als Synonym für Politiker verwende.
Noch dramatischer erscheint die Situation, wenn statt einzelner Politiker ganze Geberländer ihre Fehler eingestehen. Würden sich beispielsweise die nördlichen Euroländer, wie ich vorschlage, vom Einheits-Euro ab- und dem neu zu schaffenden Nord-Euro zuwenden, müssten sie automatisch zugeben, mit der alten Währung einen Kardinalfehler begangen zu haben. Das käme nationaler Schande gleich. Außerdem hieße das, sie müssten einen Großteil der Garantien und Kredite, die sie gewährt haben, abschreiben. Das wäre mit dem Eingeständnis verbunden, jahrelang blauäugig das Wohl der eigenen Bürger vernachlässigt zu haben.
Um diese Ansehenskatastrophe abzuwenden, bietet sich das Lügen an. Lügen kostet nichts und sichert, klug eingesetzt, Ansehen, Posten und Karriere. Was will man mehr? Unausdenkbar, wenn unsere Politiker die Wahrheit etwa über die »Griechenlandrettung« sagten – wobei bereits das Wort in die Irre führt, da nicht Griechenland zu retten war, sondern griechische Banken. Welche Fakten müssten sie dabei offenlegen?
Hätten sie den Nord-Euro eingeführt, als die Griechenland-Krise begann, wären 10, 20, höchstens aber 40 Milliarden zu zahlen gewesen. Ein Jahr später wären es schon 100 Milliarden gewesen. Würden wir den Nord-Euro jetzt einführen, wären es vielleicht 300 Milliarden. Nach weiteren zwei Jahren dürfte es eine halbe Billion sein. Natürlich wird kein Politiker offen sagen, dass diese Abwartetaktik schweren Schaden über seine
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