Die Euro-Lügner: Unsinnige Rettungspakete, vertuschte Risiken - So werden wir getäuscht (German Edition)
der Süden erkannt, dass nur durch Reformen des aufgeblähten Staatsapparats, seines restriktiven Arbeitsmarkts und der überbordenden Sozialsysteme eine gewisse Kompatibilität mit dem bewunderten und beneideten Norden erreicht werden kann. Gern haben die Südländer den Sparzielen zugestimmt, die in Brüssel und durch die Troika vorgegeben wurden.
Nur haben sie keines erreicht. Ob man nun Portugal, Griechenland, Spanien, Italien oder Frankreich betrachtet – in keinem dieser dringend reformbedürftigen Länder wurden die versprochenen Reformen wie angekündigt durchgeführt. Geht man davon aus, dass nur durch sie die nötige Wettbewerbsfähigkeit erreicht werden kann, von der die Regierungschefs im Jahr 2000 geschwärmt haben, so hat sich der südliche Teil der Euro-Zone, allen voran Frankreich, durch seine Reformverweigerung selbst um diese Wettbewerbsfähigkeit gebracht. Wer sich aber nicht selbst helfen kann oder will, dem müssen in einer Einheitswährung andere helfen. Von wo nach wo die Unterstützung geht, scheint durch das Nord-Süd-Gefälle gleichsam naturgesetzlich vorgegeben. Wobei anzumerken ist, dass Irland zwar ein frühes Hilfspaket angenommen hat, dies jedoch nicht wegen der im Süden vorherrschenden »klassischen« Reformverweigerung nötig geworden war, sondern wegen der außer Rand und Band geratenen Bankenaufsicht. Was die ökonomische Tradition und Kultur betrifft, gehört Irland zum »Norden«.
Um das Überleben des Euro zu sichern, sind aber nicht nur Transfers von den Starken zu den Schwachen nötig. Da die Schwachen nun einmal nur ungenügende Anstalten machen, ihr Niveau in Richtung der Starken anzuheben, drängt sich förmlich die umgekehrte Maßnahme auf: das der Starken an das der Schwachen anzupassen. Nach der Devise »Man stärkt die Schwachen am besten, indem man die Starken schwächt«, bemüht sich Brüssel, den Fleißigen ein wenig von ihrer Produktivität auszutreiben.
Als die heutige IWF -Chefin, Christine Lagarde, noch konservative Finanzministerin unter Nicolas Sarkozy war, schlug sie allen Ernstes vor, die Deutschen sollten die Löhne erhöhen, um ihre Exporte zu verteuern. Ihr Nachfolger, der Sozialist Pierre Moscovici, legte seinen Nachbarn ebenfalls nahe, endlich ihre Exportüberschüsse abzubauen. Im Namen der EU -Kommission krönte der ungarische Sozialkommissar László Andor das Deutschland- bashing , indem er nicht nur höhere Löhne in der deutschen Wirtschaft forderte, sondern deren zurückhaltende Lohnabschlüsse im Namen der europäischen Konkurrenz kritisierte.
»Belgien und Frankreich beschweren sich schon über deutsches Lohndumping«, sagte Andor vorwurfsvoll. So wird der Sparsame vom Verschwender als Geizhals, der Fleißige vom Faulen als Streber gebrandmarkt. Wenn die Deutschen ein Tarifsystem haben, das auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig ist, und seine Nachbarn nicht, muss es sich wohl um »Lohndumping« handeln.
Traurig, aber nicht überraschend, dass die deutschen Gewerkschaften und ihnen nahestehende Ökonomen wie Peter Bofinger, Rudolf Hickel und Gustav Adolf Horn auf den Brüsseler Zug aufspringen und kräftige Lohnerhöhungen fordern, wohl wissend, dass dann der Export sinken und die Arbeitslosenzahl steigen werden. Hier bildet sich eine Allianz, die meint, den Euro retten zu können, indem man den Norden, vor allem aber Deutschland schwächt. Was durchaus seine Logik hat: Wenn man die Einheitswährung beibehalten will, muss man weitestgehende ökonomische Uniformität schaffen. Man trifft sich dann auf niedrigem Niveau und wundert sich, wenn die internationale Konkurrenz sich die Hände reibt.
Erwünschte Folge dieser neueuropäischen Planwirtschaft: Der Wettbewerb unter den Partnern weicht freundschaftlicher Harmonie. Doch ist die unerwünschte Nebenwirkung, dass man im internationalen Wettbewerb mit gar nicht freundlichen Methoden in die Knie gezwungen wird. Natürlich will die Regierung Merkel, der man ein gewisses Harmoniebedürfnis nachsagt, beim Aufeinander-Zugehen der Volkswirtschaften nicht im Abseits stehen. So hat Finanzminister Schäuble mit seinem französischen Amtskollegen bereits eine Arbeitsgruppe gegründet, die eine Harmonisierung der Steuersysteme herbeiführen soll. Unwahrscheinlich, dass dies zu einer Reduzierung der deut schen Steuerlast führen wird, im Gegenteil: Für die französischen Sozialisten wie ihre Berliner Genossen stehen Steuererhöhungen am Anfang aller Harmonisierungen. So werden zuerst die Unterschiede der
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