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Die Evangelistin

Die Evangelistin

Titel: Die Evangelistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Asher in gespielt resigniertem Tonfall zu sagen – um schon im nächsten Augenblick den Satz mit einem zynischen Lächeln ins Gegenteil zu verkehren: »Denn wer das Geld hat und weiß, was er will, der hat die Macht.«
    Seit seiner Gefangenschaft in den Pozzi hatte er als Führer der jüdischen Gemeinde unzählige Kämpfe gegen den venezianischen Senat ausgefochten und die meisten gewonnen – manches Mal mit überzeugenden Argumenten, manches Mal mit hohen Bestechungsgeldern.
    Bedächtig nippte Asher an seinem Wein. »Dein Freund Tristan Venier hat vor drei Tagen eine Untersuchung des Brandanschlags veranlasst. Gibt es schon Verdächtige?«
    Ich sah Asher in die Augen, doch er hielt meinem Blick stand.
    Er wusste, dass Aron und Chaim sich wegen der Geschäfte meines Bruders mit dem Vatikan erbittert gestritten hatten. Und er ahnte wohl, dass Aron seinen Bruder verdächtigte, das Kontor angezündet zu haben, um die Warenlieferung von Purpur aus Alexandria zu vernichten.
    »Nein, bisher nicht«, murmelte ich.
    »Aron wohnt seit drei Tagen bei Mirjam … Marietta Halevi.« Das war keine Frage, sondern ein Vorwurf. »Sie ist Christin.«
    »Sie ist Jüdin«, sagte ich ruhig. »Daran kann auch eine Hand voll Taufwasser nichts ändern.«
    »Mirjam ist vor einigen Monaten freiwillig konvertiert, um ihrem Bruder Angelo eine Karriere im Vatikan zu ermöglichen! Niemand hat sie mit Gewalt zur Taufe geschleppt. Und jetzt lebt sie als Christin mit einem Juden zusammen. Was Angelo wohl dazu sagen wird?« Asher holte tief Luft. »Oder wird Seine Exzellenz von Seiner Heiligkeit so sehr in Anspruch genommen, dass er kaum das päpstliche Bett verlassen kann, um sich um die Affären seiner geliebten Schwester zu kümmern?«
    Wollte Asher mich mit dieser Enthüllung schockieren? Mirjam hatte mir erst vor wenigen Tagen mit verschämt gesenktem Blick von der Affäre ihres Bruders erzählt.
    »Aron und Marietta sind verlobt«, eröffnete ich Asher. »Mein Bruder will noch in diesem Jahr heiraten.«
    »Heiraten?«, fragte Asher bestürzt. »Um Himmels willen: ein Jude und eine Christin! Nach welchem Ritus wollen die beiden denn die Ehe schließen?« Ohne meine Antwort abzuwarten, fuhr er erregt fort: »Elija, ich will ehrlich sein: Das Verhalten deiner Familie bereitet mir große Sorgen. Arons Verlobung mit Mirjam Halevi, der Schwester des päpstlichen Geliebten. Deine Affäre mit Celestina Tron, von der Salomon mir erzählt hat …«
    »Es ist keine Affäre .«
    »Was ist es dann?«
    »Wir lieben uns. Wir sind glücklich.«
    »Das ist doch kein Argument!«, rief er. »Das Gebot des Propheten Ezra, keine Gojim zu hei…«
    »Es ist das beste Argument von allen!«, unterbrach ich ihn. »Denn es ist Gottes Gebot. Nach übereinstimmender Meinung aller maßgeblichen Rabbinen ist die Nächstenliebe das wichtigste Gebot neben der Gottesliebe. Rabbi Hillel sagte: ›Das höchste Gebot ist die Liebe. Der Rest der Bibel ist nichts anderes als ein Kommentar dazu.‹ Und meiner Ansicht nach schließt dieses Gebot die Venezianer nicht ausdrücklich von der Liebe aus.«
    »Gibt es denn unter den Töchtern Israels keine, die dir gefällt?«
    »Asher, ich bitte dich …«
    »Was ist mit Lea? Sie ist wunderschön und sehr in dich verliebt. Als ihr euch vor ein paar Wochen am Purim-Fest getroffen habt … ähm … seid ihr da nicht …«
    »Wir haben nicht miteinander geschlafen«, wies ich ihn zurecht. »Ich will Lea nicht!«
    »Und Rebekka? Sie wäre eine gute Partie! Die Familie Montefiore ist angesehen …«
    »Nein!«
    »Celestina Tron ist erst fünfundzwanzig«, wagte er sich noch weiter vor. »Du willst eine junge Frau, die dir im Bett Vergnügen bereitet, nicht wahr? Wie wäre es mit …«
    »Sag mir, Asher: Was gibt es an meinem Nein misszuverstehen?«
    »Celestina Tron hat dir den Verstand geraubt!«
    »Ich liebe sie.«
    »Willst du sie heiraten?«, setzte er sein Verhör fort.
    »Ich habe noch nicht mit ihr darüber gesprochen.«
    »Willst du sie heiraten, Elija?«, wiederholte er seine Frage. »Ja oder nein!«
    »Ja, ich will sie heiraten«, gestand ich. »Ich will ihr unter dem geschmückten Baldachin den Ring an den Finger stecken und mit ihr den Becher Wein teilen. Ich will sie lieben und ehren, bis der Tod uns trennt.«
    »Laut Salomon hast du im Kerker auf seine Frage, ob sie Christin sei, geantwortet: ›Todavía – noch!‹ Wird sie konvertieren?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Wirst du konvertieren?«
    »Nein.«
    Er nickte. »Willst du

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