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Die Evangelistin

Die Evangelistin

Titel: Die Evangelistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Gottes.
    Und genau das geschah nun in der Salbungsszene auf dem Berg Hermon: Eine Wolke überschattete Jeschua, und Gott sprach: ›Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe. Auf ihn sollt ihr hören!‹
    Dieses Gotteswort erinnert nicht nur an die Offenbarung anlässlich von Jeschuas Taufe im Jordan, sondern ist auch eine Anspielung auf den Krönungspsalm König Davids, auf Mosches Ankündigung eines Propheten, der nach ihm kommen soll, und auf Jesajas leidenden Gottesknecht – eines der großen Vorbilder für die Erschaffung des christlichen Messias.
    Es ist erstaunlich, wie viel Symbolik die Evangelisten in diese wenigen dramatischen Worte legten! Und es ist noch erstaunlicher, wie diese wundervollen Worte auf dem Konzil von Nikaia so falsch verstanden wurden: Die Bischöfe legten per Abstimmung Jeschuas Gottessohnschaft in einem Glaubensbekenntnis fest und verfolgten in den nächsten Jahrhunderten alle, die nicht daran glauben wollten.«
    Menandros nickte. »Und was bedeuten Schimons Worte: ›Rabbi, es ist gut, dass wir hier sind.‹? Unter anderem wegen dieser Äußerung, die keinen Sinn zu haben scheint, wird er für einfältig und dumm gehalten. Markus hat sogar noch angefügt: ›Er wusste nämlich nicht, was er sagen sollte, denn die Jünger hatten Angst.‹«
    »Schimon sang den hundertdreizehnten Psalm: ›Siehe, wie gut und wie lieblich ist es, wenn Brüder einträchtig beieinander wohnen. Wie das köstliche Öl auf dem Haupt, das herabfließt auf den Bart. Wie der Tau des Hermon‹, auf dem ja die Salbung stattfand. Schimon sang den Salbungspsalm.«
    »Jeschua war also der König von Israel«, staunte Menandros.
    »Ja, daran habe ich keinen Zweifel«, bekräftigte ich. »Er ist auf dem Hermon gesalbt worden und ging dann nach Jeruschalajim, um sein Königsamt nach einer weiteren, öffentlichen Salbung anzutreten.
    Pontius Pilatus fragte ihn während des Prozesses, ob er der König der Juden sei, und Jeschua bejahte die Frage. Die römischen Legionäre verspotteten ihn mit Dornenkrone und Purpurmantel als König der Juden. Und er ist als Iesus Nazarenus Rex Iudaeorum gekreuzigt worden – das sagt das berühmte Schild mit der Aufschrift INRI , das am Kreuz angenagelt worden war.
    Wieso hätte Pontius Pilatus dieses Schild anbringen lassen sollen, wenn Jeschua nicht wirklich gesalbter König gewesen wäre? Er wollte die Juden, diese stolzen, rebellischen Juden, die sich gegen Rom erhoben hatten, demütigen, indem er ihren König nackt ans Kreuz schlagen ließ.«
    Menandros musterte mich nachdenklich. »Glaubst du, dass er König sein wollte?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Johannes berichtet, dass Jeschua sich mehrmals einer Menge entzogen hat, die ihn zum König machen wollte. Ich glaube, dass er lange zögerte. Seine Anhänger – Schimon, Jakob, Johanan und Jehuda, die vier Zeloten in seinem Gefolge – haben ihn bedrängt, sich dieser gewaltigen Verantwortung zu stellen. Am Ende hat er nachgegeben. Er hat sich auf dem Hermon salben lassen, ging nach Jeruschalajim, um die Macht zu ergreifen, und starb am Kreuz, weil er von Joseph ben Kajafa – dem anderen, hohenpriesterlichen Maschiach – verraten wurde.« Ich seufzte. »König wider Willen: Welch eine tragische Geschichte!«
    »Er zog also als König in Jerusalem ein«, sinnierte Menandros. »Jetzt verstehe ich, warum er den Esel aus der Sacharja-Prophezeiung nicht brauchte, um als Messias in die Heilige Stadt zu kommen. Die Leute wussten, wer er war!«
    »Der Einzug war gut vorbereitet«, nickte ich. »Schon um König Jeschuas Leben zu schützen, durfte nichts dem Zufall überlassen bleiben. Die Gefolgsleute waren in der Stadt – wir hören später noch von ihnen. Jeschua selbst nächtigte in Bethanien, einem Dorf drei Meilen östlich von Jeruschalajim an der Straße nach Jericho. Entweder wohnte er bei jenem Schimon dem Essener, in dessen Haus die rätselhafte Salbungszeremonie stattfand, oder, was ich für wahrscheinlicher halte, bei seinem Schwager Eleasar, dem Bruder seiner Gemahlin Mirjam.«
    »Lazarus?«, fragte Celestina verblüfft. »Den er von den Toten auferweckt hatte?«
    »Derselbe. Eleasar, der Lieblingsjünger. Mirjams und Martas Bruder.«
    Celestina fasste sich an den Kopf. »Dann sind Mirjam von Magdala und Mirjam von Bethanien …«
    »… dieselbe Frau: Jeschuas Gemahlin Mirjam«, ergänzte ich. »Ist dir schon einmal aufgefallen, dass die beiden Mirjams nie gleichzeitig auftauchen? Mirjam von Magdala

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