Die Evangelistin
wirst. Welch eine Demütigung für eine Leuchte des Judentums!«
»Intoleranz ist kein Vorrecht der Christen.«
»Elija, es tut mir so Leid«, murmelte er, ohne mich anzusehen.
»Der Weg ins verlorene Paradies führt durch die Hölle, Jakob.«
»Und unbeirrbar gehst du deinen Weg durch Dantes Inferno, immer tiefer hinab in die Hölle. Kehr um auf diesem Weg, Elija! Such nicht nach dem Paradies, das doch gar nicht existiert! Juden und Christen können nicht friedlich …«
»Ich kann nicht mehr zurück, Jakob. Ich will es nicht. Adonai hat mir diesen Weg gezeigt, und ich werde ihn bis zum Ende gehen.«
»Bis in die Flammen des Infernos?«, regte er sich auf. »Die Gojim werden dich kreuzigen – wie deinen geliebten Jeschua! Und deinen Scheiterhaufen werden sie mit deinem Buch entzünden!«
Jakob war zutiefst besorgt – wie in jener Nacht vor einem halben Jahr, als ich ihm offenbarte, dass ich Das verlorene Paradies schreiben würde.
Es war die Nacht, in der ich Celestina kennen lernte.
»Ibn Shaprut hat sein Buch geschrieben, um seinen Glauben in der Disputation gegen Pedro de Luna, den späteren Papst Benedikt XIII ., zu verteidigen, Jakob. Zu verteidigen! «, hatte ich ihm erklärt. »Das Buch ist eine Apologie, eine Rechtfertigung des jüdischen Glaubens! Es wurde nicht geschrieben, um die Wahrheit über Jeschua zu verkünden.«
»Aber du kennst die Wahrheit, mein Prophet Elija?«, hatte er zornig ausgerufen.
Mein Freund Jakob hatte nicht begriffen, warum ich mein Buch schreiben wollte. Warum ich es nach unserer Vertreibung aus dem Paradies Granada, nach zwei Jahren im Kerker der Inquisición, den Wortgefechten mit Kardinal Cisneros, dem Tod meiner Frau und meines Sohnes und meiner Flucht aus Spanien schreiben musste: »Weil ich will, dass das, was mir geschehen ist und was Sarah und Benjamin erleiden mussten, nie wieder einem Juden geschieht, getauft oder nicht«, hatte ich Jakob erklärt. »Ich will, dass nie wieder ein Jude, wie ich, seinen Glauben verteidigen muss. Dass nie wieder ein Jude, wie du, auf offener Straße gedemütigt oder misshandelt wird. Dass nie wieder ein Jude vor einem Tribunal der Inquisición angeklagt wird, weil er seinen Glauben lebt, wie Adonai, unser Herr, es ihm vorschreibt.«
Der Erev-Schabbat-Gottesdienst begann.
Jakob und ich sprachen dieselben Gebete, sangen dieselben Psalmen und rezitierten gemeinsam das Schma Israel. Aber als sefardischer Jude kannte ich die aschkenasischen Riten nicht. Meine Fehler wurden mir nicht vergeben. Unverzeihlich war, dass ich am Ende den gesegneten Kiddusch-Becher nicht nahm – als Nazir hatte ich gelobt, keinen Wein zu trinken.
Getuschel und Geraune.
Heiligt Elija der Nazoräer den Schabbat nicht?
Wie mich ihre Blicke schmerzten, ihre Verachtung und ihr Zorn! Ich zog den Tallit über den Kopf, barg mein Gesicht darin und betete still für mich allein.
Jakob war zutiefst betroffen.
Als der Gottesdienst beendet war und die Gläubigen den Gebetssaal verließen, blieben mein Freund und ich allein zurück. Lange sagte er kein Wort, bedeckte die Augen mit seiner linken Hand, schüttelte den Kopf und rang mit seiner Traurigkeit.
Und mit seinem wundgedachten Gewissen. Wie sollte er sich mir gegenüber verhalten? Was sollte er sagen, was tun? Mein Handeln zerriss ihm das Herz, denn er liebte mich. Sollte er mich tun lassen, was ich tun musste? Sollte er meinen Glauben respektieren? Oder war es seine Pflicht als mein Freund, mich an der Hand zu nehmen und auf den rechten Pfad zurückzuführen? Mein Gott, wie er sich quälte!
Nach einer Weile erhob ich mich.
»Ich werde jetzt gehen, Jakob«, kündigte ich an. Meine Hände verkrampften sich um die hölzerne Lehne der Synagogenbank. »Ich wollte dich fragen, ob du wie jedes Jahr das Lichterfest mit uns feiern wirst.«
Bedrückt schüttelte er den Kopf.
Hatte Yehiel ihm erzählt, dass Mariettas Bruder Angelo seine Ankunft zum Chanukka-Fest angekündigt hatte? Der Erzbischof wollte die Reise des Papstes nach Bologna zum französischen König nutzen, um seine Schwester zu besuchen und um mit ihr über ihre Liebe zu Aron zu sprechen.
Der Gedanke an ein Lichterfest ohne meinen Freund Jakob tat mir weh.
»David bat mich, dir zu sagen, dass er in den nächsten Tagen mit dir über Esthers und Yehiels Verlobung reden will. Mein Bruder wünscht sich Yehiel als Schwiegersohn, aber er will dir die Entscheidung überlassen, ob eine solche Verbindung unserer Familien …« Die Worte blieben mir im
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