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Die ewige Bibliothek

Die ewige Bibliothek

Titel: Die ewige Bibliothek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Owen
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Kinder - sie enthielt sogar einen Kinderreim.«
    Michael rutschte unruhig hin und her. »Wenn die erste Amtshandlung bei der Ankunft eines neuen Lehrers darin besteht, dessen Geschichte aufzuzeichnen, warum wurde dann mit H anders verfahren?«
    »H war eine Überraschung. Normalerweise erscheint ein neuer Lehrer erst, wenn einer der Jünger gestorben ist, was selten vorkommt – und der alte Lehrer wird dann zum Jünger. Dieses Mal waren jedoch unerwarteterweise gleich drei Unbekannte aufgetaucht, und keiner der Ankoriten wusste warum. So etwas war bisher nur einmal passiert, und das war noch vor As Zeit gewesen. Die Ankoriten waren der Meinung, sie könnten Hs Geschichte nicht aufzeichnen, weil sie sich noch nicht ereignet hatte.«
    »Sie erhielten also freien Zutritt zur Bibliothek?«, fragte Michael.
    »Wir durften die Bücher untersuchen, die wir vom Eingang aus erreichen konnten – wenn er geöffnet war und wir unter Aufsicht standen«, sagte Juda. »Da sie uns nun schon einmal das ganze Geheimnis enthüllt hatten, gab es keinen Grund, uns weitere Studien zu verbieten. Obwohl ich vermute, dass mein Interesse nur deshalb geduldet wurde, weil ich mit einem Lehreranwärter zusammen war. Da die Bibliothek außerdem eines der wesentlichen Zentren des gesamten Komplexes darstellte und man mit der Außenwelt nur alle Jahre mal Handel trieb, fiel die Wahl nicht schwer: Entweder verbrachte man seine Zeit in dieser Schatzkammer oder lief in sechstausend Metern Höhe kora um einen Berg.«
    »Ich schließe daraus, dass Sie die Gewohnheiten der Zen-Illusionisten noch nicht beherrschten«, sagte Michael, »sonst wären Sie wohl regelmäßig den Gang hoch und runter gerauscht.«
    »Illusionen sind eine Sache – Magie eine andere. Es gibt praktische Gründe, warum die Ankoriten sehr viel Zeit und Abgeschiedenheit benötigen, um das zu tun, was sie tun.«
    »Es gab keinen Kontakt zur Außenwelt? Gar keinen?«, fragte Galen.
    »Es gab gelegentliche Kontakte«, sagte Juda, »aber das geschah selten und in großen Abständen – hauptsächlich, weil keiner der Pilger jemals die Hänge des heiligen Bergs betreten hatte. Die Ankoriten tauschten bei einigen einheimischen Mönchen Gerste und Fisch ein, und A führte hin und wieder eine kora aus, aber sonst lebten wir völlig abgeschieden.«
    »Einen Moment«, sagte Michael mit finsterem Blick. »Sie sagten, die Bibliothek war eines der wesentlichen Zentren. Was waren die anderen?«
    »Es gab nur noch ein weiteres«, sagte Juda, »und das habe ich bereits erwähnt. Einige Gänge zweigten von den Hauptstollen ab – es gab übrigens vier, einer unter jedem shapje, die Buddha rund um den Berg hinterlassen hat – Schlafräume, Räume zur Lagerung von Nahrungsmitteln, zur Freizeitgestaltung…«
    »Freizeitgestaltung?«
    »Melvin war verrückt nach Tischtennis. Es gab außerdem eine Menge unerforschter Stollen, von denen aber nur zwei wichtig waren – der eine, der sich senkrecht erstreckte und die Bibliothek beherbergte, und ein kreisförmiger Tunnel, der die Körper der Verstorbenen enthielt.«
    »Die verstorbenen Lehrer wurden im Berg bestattet?«, fragte Michael überrascht. »Ist das wirklich ein buddhistischer Brauch?«
    »Nein, aber Sie vergessen, dass der Glaube und die Bräuche dieser Gruppe aus einer Zeit lange vor Buddhas Leben stammten – ihre Übernahme des Begriffs ›Zen‹ gab einfach Dingen einen Namen, die sie sowieso schon praktizierten. Die Kammer bestand aus einem gewaltigen Ring von etwa einhundertfünfzig Kilometern Umfang. Das war es, was wir bei unserer Ankunft durch die offene Tür gesehen hatten – die Überreste vergangener Lehrer.«
    »Die Vorgänger der Ankoriten sind also Riesen gewesen?«
    Juda zuckte mit den Schultern. »Wer weiß? Ohne Begleitung durften wir in der Kammer nicht herumlaufen, und die anderen gingen selbst nicht gern hinein. Ich muss sagen, ich kann es ihnen nicht verübeln – den Standort des eigenen Mausoleums zu kennen, ist etwas anderes, als nach dem Mittagessen einen Spaziergang darin zu unternehmen.«
    »Wie kam es, dass Sie Meru verlassen haben?«, fragte Michael. »Ich glaube, ich hätte das nicht fertig gebracht.«
    »Wir hatten leider keine Wahl«, sagte Juda. »Keiner der Jünger war während unserer Anwesenheit gestorben. Und schon ein Bruch ihrer Gewohnheiten wäre eine Belastung für sie gewesen, ganz zu schweigen von zwei. Es wurde beschlossen, dass wir gehen durften, mit dem heiligen Versprechen, niemals den Standort

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