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Die ewige Bibliothek

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Titel: Die ewige Bibliothek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Owen
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Der Mob der Studenten war die Wände emporgeklettert und bedeckte das Gebäude.
    Sie waren umstellt.
     

     
    »Wohin gehen Sie?«, fragte Galen ungläubig. »Sind Sie wahnsinnig?«
    Juda war zu einer Wartungsnische im hinteren Teil des Gebäudes geeilt und stieg jetzt eine Leiter hoch. Er bewegte sich auf eine Falltür zu, die aufs Dach führte.
    »Nein«, antwortete Juda, ohne sich umzudrehen. »Ich glaube nicht, dass ich wahnsinnig bin – aber ich bin der Meinung, dass wir eine bessere Chance haben, zu entkommen, wenn wir nicht von allen Seiten umstellt sind.«
    Michael und Galen sahen einander an und stellten fest, dass der junge Mann durchaus Recht haben könnte – sich im Freien zur Wehr zu setzen, war besser als eingekesselt zu sein. Gemeinsam sprinteten sie auf die Leiter zu, gerade als drei kräftige Studenten durch die Tür brachen. Von oben hallten die Geräusche eines Kampfes herunter.
    Als sie sich auf das Dach zogen, stellten sie fest, dass Juda bereits an der Rückseite herunterkletterte und zwischen ihnen etwa zwei Dutzend bewusstlose Männer und Frauen verstreut lagen.
    »Was zum Teufel…?«, rief Galen.
    »Sie glauben doch nicht, ich hätte in Tibet nur gelernt, wie man Bücher druckt, oder?«, sagte Juda, als er unterhalb der Dachkante verschwand.
    »Donnerwetter!«, flüsterte Michael.
     

     
    Zwischen Burggarten und Ringstraße gab es noch weitere Zusammenstöße mit den Heulern, doch Juda erledigte sie geschickt und ohne viel Aufhebens.
    »Mann«, sagte Michael, der so schnell lief, wie er konnte. »Hoffentlich verärgere ich ihn nie.«
    »Ganz meine Meinung«, sagte Galen.
    »Hierher, schnell!« Juda winkte ihnen zu. Vor ihnen befand sich einer der Nachtbusse, der seine letzte Runde nördlich der Kärtnerstraße drehte. Michael spurtete voraus und erreichte den Bus, als dieser gerade in die Straße einbiegen wollte. Der Fahrer hielt an und wartete, bis Juda und schließlich Galen aufholten und eingestiegen waren.
    »Gut gemacht«, keuchte Galen. »Wie haben Sie ihn dazu gebracht, zu warten, Langbein?«
    »Ich habe ihm erzählt, Sie seien der Rektor der Universität«, sagte Michael mit einem breiten Lächeln. »Manchmal hilft es, einflussreiche Freunde zu haben.«
    Galen sah überrascht erst Michael an, dann Juda, der abwesend aus dem Fenster starrte. War ihm der Fehler absichtlich unterlaufen? Hatte Juda etwas über die Anrede auf seiner Einladung gesagt, oder war es nur eine Übertreibung, um den Fahrer zu beeindrucken?
    Er entschied sich für letzteres – Michael konnte unmöglich von seinen Plänen wissen, und er musste sich mit einem heimlichen Lächeln eingestehen, dass Rektor viel eindrucksvoller klang als Vizerektor.
    Michael berührte ihn an der Schulter. »Hey – alles in Ordnung mit Ihnen?«
    »Vielleicht hat er Schwierigkeiten mit dem Atmen«, sagte Juda gelassen, und Galen wurde mit einem Mal bewusst, dass er geistesabwesend die Narbe an seiner Kehle betastet hatte.
    Er ließ die Hand sinken und schüttelte den Kopf. »Nein – mir geht es gut. Es liegt nicht am Rennen, eher am Absinth.«
    »Ja«, sagte Michael und rieb sich die Schläfen. »Wenn ich gewusst hätte, dass wir quer durch die Innenstadt joggen, wäre ich bei Wodka Cola geblieben.«
    Galen wandte sich an Juda, die Arme entschlossen verschränkt. »Ich glaube, wir sind unseren Verfolgern entkommen – wir haben ein paar Minuten Zeit, und ich möchte genau wissen, was hier passiert ist, oder ich werde die Behörden rufen, sobald der Bus hält.«
    Von der Frage vollkommen ungerührt, machte Juda es sich den beiden Akademikern gegenüber bequem und schlug die Beine übereinander. »Was wollen Sie wissen?«
    »Die Trepanation«, sagte Galen. »Fangen Sie damit an.«
    »Ja«, sagte Michael und hoffte, dass seine Körpergröße ihn zu einer ebenso beeindruckenden Figur machte wie Galen. »Fangen Sie damit an.«
    »Gut«, sagte Juda. »Hat einer von Ihnen schon einmal von einem Mann namens Phineas Gage gehört?«
    Verständnislose Blicke von beiden Männern. Sie kannten den Namen nicht.
    »Gage, der Polier beim Eisenbahnbau war, bereitete an einem Morgen im September des Jahres 1843 eine Pulverladung vor, um Gestein wegzusprengen. Sie explodierte versehentlich und jagte ihm eine mehr als einen Meter lange Eisenstange durch die Vorderseite seines Schädels. Statt sofort tot zu sein, überlebte Gage, und zwar noch über ein Jahrzehnt lang. Aber er war nicht mehr der Mann, der er gewesen war – seine Persönlichkeit

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