Die ewige Nacht: Die Legende von Wasgo (German Edition)
irgendeiner Höhle leben und sich dort nicht herauswagen.
Bossus schimpfte und haderte mit seinen Schergen. Viele Truppen waren schon ohne Führung und lösten sich auf. Räuberbanden bildeten sich und raubten seine Truppen aus. Er befahl seinem engsten Berater, endlich dafür zu sorgen, dass seine Armeen wieder eine Führung bekamen und ihre Aufgaben erfüllten. Die Welt sollte verdunkelt bleiben. Bossus befürchtete, dass die ewige Nacht nicht mehr lange die Erde herrschte. Und genau das hätte auch das Ende seiner Herrschaft bedeutet. Soweit durfte es nicht kommen.
Während Bossus tobte, mit seinen Untergebenen schimpfte und ihnen mit den grässlichsten Strafen drohte, kamen Jodaryon und Wasgo dem Waldrand immer näher. Nach dem Wald mussten sie eine weite Ebene durchqueren, um so zu den Bergen zu kommen. Jodaryon freute sich auf sie, war er doch schon fünfhundert Jahre nicht in ihnen herumgeklettert. Gespannt wie ein Flitzbogen war er, denn er nahm an, dass sich auch die Berge unter dem kalten Klima verändert hatten. Er konnte sich vorstellen, dass es keine grünen Almwiesen mehr gab, sondern nur noch der blanke Fels zu sehen war.
Seine Gedanken kreisten um die Landschaft von früher. Von grünen Wäldern und Almwiesen erzählte er seinem Weggefährten, von Sonne und Regen, von Wärme und Kälte, blühenden Blumen und vielen Tierarten, von Sommer und Winter und von glücklichen Menschen, von Vampiren und Hexen und Geistern, von Drachen, die durch die Lüfte flogen, und von allen anderen Dingen, an die er sich erinnern konnte, erzählte Jodaryon dem jungen Wasgo.
Zuhören konnte Wasgo und auch jetzt lauschte er dem Älteren aufmerksam und stellte sich alles bildlich vor, was Jodaryon ihm erzählte. Viele Dinge konnte er sich nicht vorstellen, weil er sie nie im Leben gesehen hatte. Aber eins wusste Wasgo genau und das sagte er: „Es muss damals schön auf der Welt gewesen sein. Ob es jemals wieder so schön wird?“
„Selbstverständlich wird es wieder schön werden, was denkst du denn? Wir riskieren doch nicht umsonst unser Leben. Aber viele Dinge wird es wohl nicht mehr geben, wenn wir Bossus besiegt haben. Zyklopen und Drachen wird es keine mehr geben. Ob es noch Hexen geben wird, weiß ich nicht, ich weiß aber, dass mir seit fünfhundert Jahren keine mehr begegnet ist. Und viele Zauberer wird es auch nicht mehr geben. Die Welt verändert sich, das ist normal. Und es ist auch gut so. Leben ist Veränderung. Nichts bleibt so, wie es einmal war. Alles vergeht und macht neuen Dingen Platz.“
Plötzlich brach durch die laublosen Bäume ein riesiger Bär hervor. Es war ein ausgewachsener Braunbär, der mit lautem Gebrüll auf unsere Wanderer zustürmte. Kurz bevor er Wasgo und Jodaryon erreichte, richtete er sich zu seiner vollen Größe auf und brüllte sie laut an. Mit den Tatzen schlug er nach ihnen. Erschrocken blieb Wasgo stehen. Er hörte Jodaryon etwas murmeln. Augenblicklich wurde der Bär ruhig und ließ sich auf seine vier Tatzen fallen. Er brummte noch einmal kurz auf und war danach ein friedlicher Braunbär.
„Du hast Hunger, was, mein alter Freund?“, sagte Jodaryon zu dem Bären. Und zu Wasgo sagte er streng: „Du musst schneller reagieren, mein Freund. Es ist egal, welchen Zauber du sprichst, wir werden meistens nicht den gleichen Zauber anwenden. Es sind immer verschiedene. Wenn es im Kampf ernst wird, muss ich mich auf dich verlassen können.“
Wasgo nahm den Tadel hin: „Entschuldige, Meister, ich wollte nicht unhöflich sein und dir zuvorkommen.“
„Ach, was, mein Junge, trau dir mal was zu! Ich wäre froh, wenn du das manchmal tätest, denn nur so weiß ich, dass du einen Zauber beherrschst. Also bitte keine falsche Zurückhaltung“, erwiderte Jodaryon mit harter Stimme.
Ein großer Haufen Fleisch lag plötzlich neben dem Bären auf dem Boden, der davon sofort zu fressen begann. Jodaryon sah Wasgo erstaunt an. Der junge Mann sagte: „Ich soll mich doch nicht zurückhalten!“
Dafür bekam er von Jodaryon ein kleines spöttisches Lächeln geschenkt, als dieser sagte: „Das hast du gut gemacht, mein junger Freund.“
Ihre Wanderung ging weiter, sie durchquerten die Ebene und mussten vielen Unebenheiten ausweichen. An einigen Stellen senkte sich der Fußboden ab. Gedankenverloren stieß Wasgo einen Stein von der Größe einer Faust vor sich weg und dieser Stein landete auf so einer Vertiefung. Der Boden gab mit einem lauten Krachen nach und es staubte
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