Die ewige Prinzessin: Historischer Roman (German Edition)
Was mir zuerst ins Auge fällt, ist die Kürze ihres Briefes: nur eine Seite.
»Oh madre«, hauche ich. »Mehr nicht?«
Vielleicht war sie in Eile ... aber ich bin bitter enttäuscht, dass sie nur so wenig geschrieben hat! Wenn sie wüsste, wie sehr ich mich danach sehne, ihre Stimme zu hören, hätte sie doppelt so viel geschrieben. Gott ist mein Zeuge: Ich glaube nicht, dass ich mein Vorhaben ohne ihren Rat ausführen kann. Ich bin doch erst sechzehneinhalb Jahre alt - ich brauche meine Mutter.
Ich lese den kurzen Brief durch; und dann, ungläubig, lese ich ihn noch einmal.
Dies ist kein Brief von einer Mutter an ihre geliebte Tochter. Kühl und staatsmännisch hat Isabella von Spanien ein Schreiben von einer Königin an eine Prinzessin formuliert. In ihrem Brief ist nur von geschäftlichen Angelegenheiten die Rede. Wir könnten zwei Kaufleute sein, die einen guten Handel besiegeln.
Sie schreibt, ich müsse in dem Hause bleiben, das mir angewiesen wurde, bis ich meine nächste Regel gehabt hätte und sicher sein könne, nicht guter Hoffnung zu sein. Sollte dies der Fall sein, müsse ich Dr. de Puebla beordern, mein Witwenerbe zu fordern, und erst, wenn ich den vollen Betrag erhalten hätte und nicht vorher (extra unterstrichen, damit es keinen Zweifel gibt), solle ich mich nach Spanien einschiffen.
Wenn jedoch Gott mir die Gnade erwiese und mich guter Hoffnung sein lasse, dann solle ich Dr. de Puebla mitteilen, dass meine Mitgift in bar ausgezahlt werde. Im Gegenzug solle er sogleich meine Apanage als Prinzessinwitwe von Wales einfordern, und ich solle mich ausruhen und auf die Geburt eines Jungen hoffen.
Ich soll unverzüglich antworten und mitteilen, ob ich Anlass zum Glauben habe, guter Hoffnung zu sein. Wenn dem so ist, soll ich schreiben und mich auch Dr. de Puebla anvertrauen sowie der guten Hut von Doña Elvira.
Ich falte diesen Brief sorgfältig zusammen, ich lege die Ecken so exakt aufeinander, als ob viel davon abhinge. Ich denke, wenn meine Mutter von der Verzweiflung wüsste, die wie ein Strom der Finsternis an den Rändern meines Geistes nagt, dann hätte sie mir einen freundlicheren Brief geschrieben. Wenn sie wüsste, wie einsam ich bin, wie tief ich trauere, wie sehr ich ihn vermisse, dann würde sie mir nicht von Festsetzung eines Witwenerbes und von Titeln schreiben. Wenn sie wüsste, wie sehr ich ihn geliebt habe und dass ich das Leben ohne ihn nicht ertragen kann, dann würde sie mir schreiben, dass sie mich liebt und dass ich unverzüglich heimkehren darf.
Ich schiebe den Brief in die Tasche an meinem Gürtel. Dann stehe ich auf, als hätte ich einen Marschbefehl erhalten. Ich bin kein Kind mehr. Ich werde nicht nach meiner Mama rufen. Ich begreife nun, dass ich doch kein Lieblingskind Gottes bin, denn er hat es zugelassen, dass Arthur gestorben ist. Ich erkenne auch, dass ich nicht, wie ich glaubte, die bedingungslose Liebe meiner Mutter besitze, denn sie bringt es übers Herz, mich hier, in einem fremden Lande, allein zu lassen.
Sie ist nicht nur Mutter, sie ist auch Königin von Spanien. Sie muss sicherstellen, dass sie einen Enkel bekommt oder auch nicht, aber der Vertrag muss wasserdicht sein. Ich bin keine beliebige junge Frau, die ihren Mann verloren hat. Ich bin eine spanische Prinzessin und muss vertragsgemäß einen Enkel gebären. Und nun bin ich zusätzlich durch ein Versprechen gebunden. Ich habe versprochen, dass ich erneut Prinzessin von Wales sein werde und zukünftige Königin von England. Ich habe dies dem jungen Manne versprochen, dem ich mein Leben versprochen hatte. Und ich will es in seinem Sinne erfüllen, was immer auch die anderen denken oder wollen.
***
Der spanische Gesandte erstattete nicht sogleich in Spanien Bericht. Stattdessen spielte er sein übliches Doppelspiel und ging zunächst zu König Heinrich.
»Ihr Beichtvater sagt, sie sei guter Hoffnung«, sagte er zu dem Herrscher.
Zum ersten Mal seit Tagen spürte König Heinrich, wie ihm leichter ums Herz wurde. »Meine Güte, wenn das wirklich wahr ist, würde es alles ändern!«
»Wolle Gott, dass es so ist. Es würde mich freuen«, stimmte de Puebla zu. »Aber ich kann nicht dafür garantieren. Sie zeigt keinerlei Anzeichen.«
»Es könnte noch zu früh dafür sein«, meinte Heinrich. »Und wie Gott - und ich - wissen, bedeutet ein Kind in der Wiege nicht unbedingt einen Prinzen auf dem Thron. Der Weg zur Krone ist lang. Aber es wäre mir ein großer Trost zu wissen, dass sie in anderen
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