Die ewige Prinzessin: Historischer Roman (German Edition)
ein wenig ferner von allem fühlte. Jeden Tag betete sie länger in der Kapelle, aber Gott sprach nicht zu ihr, und selbst die Stimme ihrer Mutter schien verstummt zu sein. Sie vermisste Arthur nicht mehr mit der leidenschaftlichen Sehnsucht einer jungen Witwe, sondern als liebsten Freund, den sie in diesem Lande gehabt hatte, und als Einzigen, dem sie ihre Zweifel hätte anvertrauen können.
Im Februar nahm sie am Fasching teil und glänzte in froher Laune vor dem ganzen Hofstaat. Alle waren Zeugen der Schwellung ihres Leibes und der königlichen Zuversicht. In der Gewissheit, dass das Kind kurz nach Ostern geboren würde, zog der Hof nach Greenwich.
***
Zur Geburt meines Kindes ziehen wir nach Greenwich. Die Zimmer werden genau nach der Anweisung im Hofbuch der verstorbenen Königinmutter vorbereitet: Man hängt Wandteppiche mit hübschen und ermutigenden Szenen auf, legt Teppiche aus und streut frische Kräuter. Auf der Schwelle zögere ich kurz. Hinter mir heben meine Freunde ihre Gläser, die mit Gewürzwein gefüllt sind. Hier soll ich meine größte Aufgabe für England erfüllen, dies ist meine Schicksalskammer. Dies ist, wofür ich geboren und erzogen wurde. Ich atme tief durch und trete ein. Die Tür schließt sich hinter mir. Ich werde meine Freunde, den Herzog von Buckingham, meinen treuen Ritter Edward Howard, meinen Beichtvater und meinen spanischen Gesandten erst nach der Geburt meines Kindes wiedersehen.
Meine Hofdamen hingegen begleiten mich in das Wöchnerinnengemach. Lady Elizabeth Boleyn legt eine süß duftende Parfümkugel auf meinen Nachttisch, Lady Elizabeth und Lady Anne, Buckinghams Schwestern, versuchen gemeinsam einen Wandteppich aufzuhängen und kichern, weil immer wieder eine Ecke herunterhängt. Maria de Salinas steht lächelnd neben dem großen Bett mit den neuen dunklen Vorhängen. Lady Margaret Pole stellt die Wiege am Fuße des Bettes auf. Sie lächelt mir ermutigend zu, und da fällt mir wieder ein, dass sie ja Mutter ist: Sie wird wissen, was zu tun ist.
»Ich möchte, dass Ihr der königlichen Kinderstube vorsteht«, platze ich heraus, von plötzlicher Zuneigung und der Sehnsucht nach Rat und Trost einer erfahrenen, älteren Frau erfüllt.
Meine Damen kichern unterdrückt. Sie wissen, dass ich üblicherweise sehr formell bin: Die Ernennung zur Vorsteherin der Kinderstube sollte durch meinen Oberhofmeister erfolgen, nachdem er einige aussichtsreiche Kandidatinnen in Augenschein genommen hat.
Lady Margaret lächelt mir zu. »Ich wusste, dass Ihr mich fragen würdet«, erwiderte sie ebenso informell. »Ich habe damit gerechnet.«
»Ohne königliche Ernennung?«, neckt Lady Elizabeth Boleyn. »Schämt Euch, Lady Margaret! Euch derart vorzudrängen!«
Nun müssen wir alle lachen. Man stelle sich vor: Lady Margaret, diese höchst würdige Dame, bettelt um eine Gunst wie eine kleine Zofe!
»Ich weiß, dass Ihr für ihn sorgen werdet, als wäre er Euer eigener Sohn«, flüstere ich ihr zu.
Sie nimmt meine Hand und hilft mir auf das hohe Bett. Ich fühle mich schwer und unbeholfen, und in meinem Leib sitzt dieser ständige Schmerz, den ich zu verbergen suche.
»Mit Gottes Willen«, sagt sie leise.
Heinrich kommt herein, um sich von mir zu verabschieden. Sein Gesicht ist rot vor Aufregung, und seine Lippen zittern, er sieht eher wie ein kleiner Junge denn wie ein König aus. Ich nehme seine Hände, und ich küsse ihn zärtlich auf den Mund. »Liebster«, sage ich. »Betet für mich. Ich bin sicher, alles wird gut gehen.«
»Ich werde zu Unserer Lieben Frau von Walsingham reisen, um ihr zu danken«, erzählt er erneut. »Ich habe dem Konvent dort geschrieben und den Nonnen eine hohe Belohnung versprochen, wenn sie sich bei Unserer Lieben Frau für Euch verwenden. Jetzt schon beten sie für Euch, Liebste. Sie haben mir versichert, dass sie unablässig beten.«
»Gott ist gnädig«, sage ich. Kurz denke ich an den maurischen Arzt, der mir sagte, dass ich nicht mehr guter Hoffnung bin, aber dann schiebe ich diesen heidnischen Gedanken entschlossen beiseite. »Dies ist mein Schicksal, es ist der Wunsch meiner Mutter und Gottes Wille«, sage ich.
»Ich wünschte so sehr, dass Eure Mutter hier wäre«, sagt Heinrich verlegen. Ich nehme mich in Acht: Er soll nicht sehen, wie ich vor Schmerz zusammenzucke.
»Natürlich«, erwidere ich ruhig. »Und ich bin sicher, dass sie mir von Al-Yan ...« Ich breche ab, bevor ich den Namen aussprechen kann. »Vom Paradies aus zusieht«,
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