Die ewige Prinzessin: Historischer Roman (German Edition)
angetraute Frau und Königin von England?«
»Nein.«
»Nicht einmal Ihr wagt dies zu behaupten.«
»Nein.«
»Denn damit würde ich entehrt«, sage ich zornig. »Und bedenkt, dass der Klatsch nicht an dieser Stelle aufhören würde. Am Ende würden sie gar behaupten, dass Ihr keinen Anspruch auf den Thron besäßet, weil Eure Mutter an ihrem Hochzeitstag nicht mehr Jungfrau war.«
Heinrich ist erschüttert. »Meine Mutter? Was wisst Ihr von meiner Mutter?«
»Es heißt, sie habe bei ihrem Onkel, bei Richard dem Thronräuber gelegen«, erzähle ich freimütig. »Denkt nur! Und es heißt, sie habe bei Eurem Vater geschlafen, bevor sie verheiratet, ja sogar, bevor sie verlobt waren. Es heißt, sie habe das offene Haar und das weiße Gewand an ihrem Hochzeitstage nicht verdient, weil sie keine Jungfrau mehr war. Es heißt, sie habe ihre Ehre mehr als einmal verloren, sie sei im Grunde kaum besser als eine Dirne gewesen. Wollen wir dem Volk erlauben, solche Dinge über seine Königin zu sagen? Wollt Ihr es dahin kommen lassen, dass Ihr durch solchen Klatsch des Thrones verlustig geht? Oder dass Euer Sohn die Krone verliert?«
Heinrich keucht vor Entsetzen. Er betete seine Mutter an und hat nie bedacht, dass auch sie ein Mensch mit sinnlichen Begierden war. »Sie hätte doch niemals ... sie war eine sehr ... wie könnt Ihr ...«
»Seht Ihr? So etwas passiert, wenn dem Volk erlaubt wird, Schlechtes über seine Herrscher zu reden.« Und nun lege ich die eherne Regel fest, die mich für alle Zeiten schützen wird. »Wenn Ihr erlaubt, dass über mich in entehrender Weise gesprochen wird, dann ist die Lawine eines Tages nicht mehr aufzuhalten. Dieses Geschwätz ist eine Beleidigung für mich und eine Bedrohung Eurer Macht. Wo sollen die Menschen aufhören, wenn sie erst einmal angefangen haben? Üble Nachrede gegen die Königin rüttelt an den Grundfesten des Reiches. Seid gewarnt, Heinrich!«
»Sie hat es gesagt!«, ruft er aus. »Anne hat gesagt, dass es keine Sünde sei, bei ihr zu liegen, weil ich nicht rechtmäßig verheiratet sei!«
»Sie hat gelogen«, sage ich unerschütterlich. »Sie hat Jungfernschaft vorgetäuscht, und sie hat mich verleumdet.«
Sein Gesicht läuft vor Zorn rot an. Es ist ihm eine Erleichterung, wütend sein zu können. »Was für eine Dirne!«, ruft er roh. »Mich dazu zu bringen, dass ich ... Was für ein Weibertrick!«
»Ihr dürft jungen Frauen nicht trauen«, sage ich ruhig. »Nun, da Ihr König seid, müsst Ihr auf der Hut sein, Liebster. Sie werden Euch nachlaufen, sie werden versuchen, Euch zu bezaubern und zu verführen, doch Ihr müsst mir treu bleiben. Ich war Eure jungfräuliche Königin, Eure erste Liebe. Und ich bin Eure Ehefrau. Lasst mich nicht im Stich!«
Heinrich nimmt mich in seine Arme. »Vergebt mir«, flüstert er mit bebender Stimme.
»Wir werden nie mehr darüber sprechen«, sage ich feierlich. »Ich werde es nicht dulden, und ich werde niemandem erlauben, mich oder Eure Mutter zu verleumden.«
»Nein«, stimmt er mit Inbrunst zu. »Das schwöre ich bei Gott. Wir werden nie mehr darüber sprechen und es auch keinem anderen erlauben.«
***
Am nächsten Morgen standen Heinrich und Katharina zusammen auf und begaben sich allein zur Messe in die Königskapelle. Katharina suchte ihren Beichtvater auf und beichtete kniend ihre Sünden. Es dauerte nicht sehr lange, wie Heinrich bemerkte, sie konnte demnach nicht viel zu beichten haben. Es machte ihm einigermaßen zu schaffen, dass sie zur Beichte gehen und mit so heiterem Gesicht wiederkommen konnte. Er wusste, dass sie, wie seine Mutter, eine Frau von heiliger Reinheit war. Reuig legte er sein Gesicht in seine Hände und dachte, dass Katharina nicht nur jedes Versprechen hielt, sondern auch vermutlich niemals im Leben eine Lüge erzählt hatte.
***
In einem rotsamtenen Reitkleid nehme ich am höfischen Jagdausflug teil, entschlossen, allen zu zeigen, dass es mir gut geht, dass ich wieder am Hofe bin, dass alles so sein wird, wie es vordem war. Lange jagen wir einen kapitalen Hirsch durch den ganzen Park, bis ihn die Hunde im Bachlauf in die Knie zwingen und Heinrich selbst lachend ins Wasser springt, um dem Tier die Kehle durchzuschneiden. Rund um die Stelle breitet sich Blut aus, es befleckt seine Kleider, seine Hände. Ich lache mit den Höflingen, aber der Anblick des Blutes bereitet mir Übelkeit.
Langsam reiten wir heimwärts. Ich zwinge mich weiterhin zu lächeln, um die Erschöpfung und den
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