Die ewige Prinzessin: Historischer Roman (German Edition)
jeder Priester wüsste, wie man Lesen und Schreiben lehrt, dann könnten wir neue Schulen an den Universitäten einrichten, welche die Söhne des Volkes besuchen können.«
»Ist so etwas denn möglich?«, fragte Arthur. »Nicht nur ein eitler Traum?«
Catalina nickte eifrig. »Er könnte Wahrheit werden. Eine Nation zu erschaffen ist eine sehr handfeste Angelegenheit. Wir werden ein Königreich erschaffen, auf das wir stolz sein können, so wie meine Eltern in Spanien. Wir können beschließen, welche Form es annehmen soll, und unsere Vorstellungen Wirklichkeit werden lassen.«
»Camelot«, sagte er schlicht.
»Camelot«, bestätigte sie.
B URG L UDLOW , F RÜHLING 1502
Im Februar hat es eine Woche lang geschneit, dann setzte Tauwetter ein, und der Schnee verwandelte sich in Matsch, und jetzt regnet es wieder. Ich kann nicht im Garten spazieren gehen, ich kann nicht ausreiten, ja nicht einmal auf dem Maultier in die Stadt. Nie zuvor habe ich solche Regengüsse erlebt. In meiner Heimat fällt der Regen in schweren Tropfen auf die heiße Erde und bringt einen warmen Duft hervor, den die durstigen Pflanzen ausströmen. In diesem Lande jedoch trifft ein Eisregen auf gefrorene Erde, nichts duftet, und überall auf den Pfützen bildet sich eine dunkle Eisschicht, die an eine kalte Haut erinnert.
In diesen eisigen Zeiten vermisse ich meine Heimat schmerzlich. Während ich Arthur von Spanien und von der Alhambra erzähle, überkommt mich der heiße Wunsch, er möge sie auch einmal sehen und Mutter und Vater kennenlernen. Und auch sie sollen ihn kennenlernen und erfahren, wie glücklich wir miteinander sind. Ich frage mich, ob der König ihm die Reise erlauben würde ... aber dies sind eitle Träume. Kein König würde seinen kostbaren Sohn und Erben außer Landes gehen lassen.
Dann verfalle ich auf den Gedanken, ob man vielleicht mir einen kurzen Heimatbesuch gestatten würde. Ich könnte es jedoch nicht ertragen, auch nur eine Nacht von Arthur getrennt zu sein ... doch dann fürchte ich, dass ich meine Mutter vielleicht nie mehr wiedersehe ... und ich weiß nicht, wie ich es ertragen soll, nie mehr ihre Hand auf meiner Stirn zu spüren oder ihr Lächeln zu sehen.
Ich bin froh und stolz, Prinzessin von Wales und zukünftige englische Königin zu sein, aber ich hatte nicht bedacht - ich weiß, dass dies töricht war! -, dass ich aufgrund dieser Tatsache mein Leben in diesem Lande würde verbringen müssen, ohne jemals in meine Heimat zurückzukehren. Obgleich ich wusste, dass ich den Prinzen von Wales heiraten würde, um eines Tages Königin von England zu werden, betrachtete ich dieses Land nicht als meine zukünftige und endgültige Heimat und bedachte nicht, dass ich vermutlich meine Eltern in diesem Leben nicht wiedersehen werde.
Ich habe darauf gebaut, dass wir einander immerhin schreiben können, und erwartete, oft von meiner Mutter zu hören. Aber sie behandelt mich genauso wie Isabel, Maria und Juana: Sie schickt mir Anordnungen durch den Botschafter, sendet formelle Anweisungen für die spanische Infantin. Als Mutter schreibt sie mir selten.
Ich weiß nicht, wie ich das ertragen soll. Nie hätte ich gedacht, dass ich eines Tages so abgeschieden leben würde. Meine Schwester Juana schreibt mir, dass sie gemeinsam mit ihrem Ehemann die Eltern besuchen wird. Es ist ungerecht, dass sie heimreisen darf und ich nicht! Ich bin doch erst sechzehn. Ich kann noch nicht ohne den Rat meiner Mutter auskommen. Jeden Tag ertappe ich mich dabei, sie um Rat fragen zu wollen - aber sie ist nicht da.
Königin Elizabeth, die Mutter meines Gemahls, kann mir keine Ersatzmutter sein, denn sie hat in ihrem eigenen Haushalt nichts zu sagen, ist nicht einmal Herrin über ihre eigene Zeit. Denn die wahre Herrscherin des Hofes ist Lady Margaret, die Königinmutter, und sie ist eine äußerst stolze, hartherzige Frau. Auch sie kann an mir nicht Mutterstelle vertreten, sie hat überhaupt keine mütterlichen Anlagen. Sie betet ihren Sohn an, weil er sie zur Königinmutter macht, aber sie liebt ihn nicht, sie hegt für keinen Menschen zärtliche Gefühle. Nicht einmal ihren Enkel Arthur liebt sie, und wenn eine Frau diesen jungen Mann nicht lieben kann, so muss sie wirklich herzlos sein! Im Übrigen bin ich ziemlich sicher, dass sie mich nicht leiden kann, obwohl mir kein Grund für diese Abneigung einfallen will.
Und überhaupt: Kann es nicht sein, dass meine Mutter mich ebenso vermisst wie ich sie? Sie wird doch sicher bald
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