Die ewige Prinzessin: Historischer Roman (German Edition)
Vorrücken des spanischen Heeres unter dem Kommando meines Vaters. Die Mauren haben darauf ein Lied gedichtet.«
Sie warf den Kopf zurück und sang es Arthur mit heiserer, lockender Stimme vor, wobei sie die Worte ins Französische übersetzte:
»Reiter stürmen durchs Elvira-Tor, zur Alhambra empor,
Schreckliche Botschaft bringen sie dem König:
Ferdinand führt ein Heer, die Blume Spaniens,
Am Ufer des Jenil entlang.
Und mit ihm reitet Isabel, die Königin mit dem
Herzen eines Mannes.«
Arthur war entzückt. »Singt es noch einmal!«
Die Prinzessin lachte und wiederholte das Lied.
»Und sie haben sie wirklich so genannt: ›Die Königin mit dem Herzen eines Mannes‹?«
»Vater pflegte zu sagen, dass sie die Soldaten besser zu ermutigen wusste als zwei Bataillone. In sämtlichen Schlachten, die meine Eltern fochten, wurde meine Mutter nie besiegt. Das Heer verlor keinen Kampf, wenn sie dabei war.«
»So ein König müsste man sein! Dass Lieder auf einen gedichtet werden!«
»Ich weiß«, pflichtete Catalina ihm bei. »Und wenn man eine Legende zur Mutter hat, ist es doch kein Wunder, wenn man sie vermisst! Damals fürchtete meine Mutter nichts und niemanden, weder vernichtendes Feuer in der Nacht noch Schlachten am Tage. Selbst als mein Vater und seine Ratgeber übereinkamen, dass wir uns lieber aus Toledo zurückziehen und neu bewaffnen sollten, um im nächsten Jahr einen neuen Angriff zu wagen, entschied meine Mutter anders.«
»Streitet sie denn mit Eurem Vater in der Öffentlichkeit?«, fragte Arthur, fasziniert von der Vorstellung einer Ehefrau, die nicht dem Manne unterlegen war.
»Es ist kein richtiger Streit«, erwiderte Catalina langsam. »Sie würde ihm niemals widersprechen oder seine Meinung missachten. Aber er spürt ganz genau, wenn sie nicht seiner Meinung ist. Und meistens werden die Dinge dann so getan, wie sie es will.«
Arthur schüttelte ungläubig den Kopf.
»Ich weiß, was Euch gerade durch den Kopf geht: Eine Frau sollte gehorchen. Selbst meine Mutter würde das so sehen. Aber es ist nun einmal so, dass sie immer recht hat«, sagte Isabellas Tochter. »Seit ich mich erinnern kann, ist es so gewesen: Ob das Heer vorrücken oder eine andere Taktik anwenden sollte. Es ist wirklich so, als gäbe Gott ihr Ratschläge, denn sie weiß stets am besten, was zu tun ist. Selbst Vater weiß das.«
»Sie muss eine ganz außergewöhnliche Frau sein!«, rief Arthur aus.
»Sie ist eben eine Königin«, sagte Catalina schlicht. »Eine Königin von Geburt an. Sie ist nicht durch Heirat zur Königin geworden, und sie ist auch keine Bürgersfrau, die in den Adelsstand erhoben wurde. Sie wurde als spanische Prinzessin geboren. Zur Königin geboren. Und Gott bewahrte sie vor schrecklichsten Gefahren, damit sie Königin von Spanien werden konnte. Was hätte sie anderes tun sollen, als ihr Königreich zu regieren?«
***
In dieser Nacht träume ich, ein Vogel zu sein, ein Apus, ein Mauersegler. Furchtlos schwebe ich über das Königreich Neukastilien, südlich von Toledo, sodann über das neu eroberte Córdoba, südlich von Granada. Unter mir erstreckt sich die Erde wie ein lohfarbener Teppich, gewoben aus den goldhaarigen Schafen der Berber, aus der bronzenen Erde, die durchbrochen wird von braunen Felsen, und aus Bergen, so hoch, dass nicht einmal Olivenbäume an ihren steilen Hängen wachsen. Ich fliege weiter, und mein kleines Vogelherz pocht aufgeregt. Dann endlich sehe ich die rötlichen Mauern des Alcazar, der mächtigen Feste, welche den Palast der Alhambra umschließt, und in schnellem Fluge streiche ich an dem trutzigen viereckigen Wachturm vorbei, von dem einst die Fahne des Sichelmondes wehte, und stürze mich hinunter in den Myrtenhof. Ich sause und brause durch die Luft, zierliche Gebäude aus Stuck und Kacheln umgeben mich. Ich schaue in das Wasserbecken ... und endlich erblicke ich sie, die zu sehen ich gekommen bin: meine Mutter, Isabella von Spanien. Sie ergeht sich in der warmen Abendluft in ihren schönen Gärten und denkt an ihre Tochter im fernen England.
B URG L UDLOW , M ÄRZ 1502
»Ich möchte, dass Ihr eine vornehme Dame kennenlernt, die mir eine gute Freundin ist und auch Euch eine Freundin sein möchte«, kündigte Arthur eines Tages an.
Catalinas Hofdamen, von einem kalten Nachmittag ohne Unterhaltung gelangweilt, beugten sich lauschend vor, während sie vorgaben, in ihre Handarbeiten vertieft zu sein.
Catalina wurde so bleich wie das leinene
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