Die ewige Prinzessin: Historischer Roman (German Edition)
kein Mensch mehr gesehen hatte, fürchtete man, dass Letzteres der Fall war. Meine Mutter schrieb an meinen Vater - vielmehr, ihre Mutter befahl ihr zu schreiben -, dass sie ihn, einen Tudor aus dem Geschlecht der Lancasters, heiraten werde, damit die alte Fehde ihrer beiden Familien endgültig beigelegt wäre. Sie drängte ihn, er solle aus Frankreich zurückkehren und sie retten und ihre Liebe gewinnen. Mein Vater erhielt diesen Brief, er stellte ein Heer zusammen, griff England an, siegte, heiratete die Prinzessin und brachte England den Frieden.«
»Das ist die Geschichte, die ich bereits kenne. Eine sehr schöne Geschichte.«
Arthur nickte.
»Und wie lautet die Geschichte, die Ihr nicht erzählt habt?«
Wider besseres Wissen begann er zu lachen. »Sie ist eher skandalös. Es heißt, meine Mutter habe überhaupt nie Zuflucht gesucht. Sie habe bald schon diese Kirche und ihre Mutter und ihre Schwestern verlassen und sei an den Hof gekommen. König Richards Frau war gestorben, und er war erpicht auf eine neue Gattin. Sie nahm seinen Antrag an. Damit hätte sie ihren Onkel, den Tyrannen, geheiratet, den Mörder ihrer jungen Brüder.«
Entsetzt schlug Catalina die Hand vor den Mund. »Nein!«, stieß sie mit weit aufgerissenen Augen hervor.
»So heißt es jedenfalls.«
»Die Königin? Eure Mutter?«
»Eben die«, erwiderte Arthur. »Im Grunde wird noch Schlimmeres gemunkelt: dass Richard und sie bereits verlobt waren, als seine Ehefrau im Sterben lag. Deshalb die große Abneigung zwischen ihr und Großmutter. Großmutter traut ihr nicht über den Weg, will aber den Grund dafür nie sagen.«
»Wie konnte sie nur so etwas tun?«, wollte Catalina wissen.
»Wieso denn nicht?«, hielt Arthur dagegen. »Von ihrem Standpunkt aus betrachtet hatte sie nicht allzu viele Möglichkeiten: Sie war die Prinzessin von York, ihr Vater war tot, ihre Mutter war eine Feindin des Königs, die im Asyl schmachtete, als säße sie im Tower. Wenn Elizabeth leben wollte, dann musste sie die Gunst des Königs gewinnen. Wenn sie als Prinzessin anerkannt werden wollte, brauchte sie den Landesherrscher. Wenn sie Königin von England werden wollte, musste sie Richard heiraten.«
»Aber sie hätte doch ...«, begann Catalina und verstummte.
»Nein, das war unmöglich. Versteht Ihr jetzt? Sie war lediglich eine Prinzessin, sie hatte keine Wahl. Wenn sie überleben wollte, musste sie dem König gehorchen. Wenn sie Königin sein wollte, musste sie ihn heiraten.«
»Sie hätte ein eigenes Heer anmustern können.«
»Nicht in England!«, mahnte Arthur. »Sie musste den König von England heiraten, um Königin zu werden. Eine andere Wahl hatte sie nicht.«
Catalina schwieg einen Moment. »Zum Glück musste ich, um Königin zu werden, Euch heiraten, sodass sich mein Schicksal auf wunderbare Weise erfüllte!«
Er lächelte. »Ich danke Gott, dass wir mit unserem Schicksal glücklich geworden sind. Denn wir hätten auf jeden Fall heiraten müssen, ob wir einander geliebt hätten oder nicht. So ist es doch?«
»Ja«, sagte Catalina. »Eine Prinzessin hat nie eine Wahl.«
Arthur nickte trübsinnig.
»Aber Eure Großmutter hat doch gewiss die Ehe Eurer Eltern geplant. Warum verzeiht sie Eurer Mutter nicht? Sie war doch Teil ihres Planes!«
»Diese beiden mächtigen Frauen, die Mutter meines Vaters und die Mutter meiner Mutter, haben diese Hochzeit ausgehandelt wie zwei Waschweiber, die gestohlenes Leinen verhökern.«
Catalina piepste vor Schreck.
Arthur gluckste vor Vergnügen, es gefiel ihm ausnehmend gut, sie mit gut gesetzten Worten zu schockieren. »Grässlich, nicht wahr?«, murmelte er. »Die Mutter meiner Mutter war vermutlich zu ihrer Zeit die meistgehasste Frau Englands.«
»Wo ist sie jetzt?«
Er zuckte die Achseln. »Eine Weile lebte sie bei Hofe, aber die Königinmutter empfand eine so starke Abneigung gegen sie, dass sie sie loswerden musste. Sie war nämlich eine Schönheit, müsst Ihr wissen, und eine gerissene Intrigantin. Also beschuldigte Großmutter sie der Verschwörung gegen meinen Vater, und der glaubte ihr.«
»Aber sie ist nicht tot? Sie haben sie doch nicht hingerichtet?«
»Nein. Sie wurde in ein Kloster verbannt und kommt niemals mehr an den Hof.«
Catalina war entsetzt. »Eure Großmutter ließ die Mutter der Königin in einen Konvent stecken?«
Ernst nickte Arthur. »Wahrlich. Lasst Euch dies eine Warnung sein, Liebste. Meine Großmutter wünscht niemanden am Hofe, der eine Gefahr für ihre Macht
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