Die ewige Straße
Rattengesichtige hätte getreten. Endlich sah er Quait in die Augen, und Quait formte mit den Lippen lautlos das Wort Tasche.
»Was?«
Avila löste jetzt die Klammern an ihrer Bluse. Der Wind fuhr hinein, zerrte daran, wollte sie entkleiden, und schließlich wand sie sich aus dem Kleidungsstück, knüllte es zusammen und warf es einem der Piraten zu. Jetzt stand sie in Stiefeln, schwarzer Hose und einem weißen Büstenhalter vor den Männern.
Sie tänzelte wieder zu Trevor zurück, befeuchtete die Lippen und breitete einladend die Arme aus. Trevor beobachtete sie wie hypnotisiert. Er sah, wie ihre Hände zum Rücken und dem Verschluß ihres Büstenhalters gingen und den Halter öffneten. »Ja!« grölte Trevor. »Weiter so! Wunderbar!«
Endlich begriff Flojian. Er griff in die Tasche von Avilas Jacke und zog die Hand wieder zurück. Quait sah, daß er etwas in der Handfläche verbarg.
Trevor humpelte vor, riß Avila den Büstenhalter weg und nahm die Frau in die Arme. Er drückte sie an sich und vergrub sein Gesicht an ihrem Hals.
Chaka stand von Quait aus gesehen links. Fünf Männer bildeten die rechte Seite des Kreises. Sie standen zwischen Flojian und Trevor. Quait bemerkte nicht, was geschah, bis diese fünf unvermittelt zusammenbrachen und sich nicht mehr rührten. Chaos brach aus. Ein Schuß bellte. Chaka riß sich los und machte das Schußfeld für Flojian frei. Der Schiffsführer hatte den Mund vor Staunen weit aufgerissen, und Avila versuchte, sich gewaltsam aus seinem Griff zu befreien.
Flojian richtete den Keil nach links. Drei weitere Männer gingen zu Boden. Quait schlug den Rattengesichtigen nieder, doch sein zweiter Bewacher setzte ihm hart zu. Ein weiterer Schuß fiel. Die Piraten blickten sich mit erhobenen Waffen um, Panik in den Augen, und suchten nach einem Feind. Chaka stieß einen über Bord und wurde dann vom Rudergänger bedrängt.
Der Schiffsführer war auf den Knien. Er kippte nach vorn. Blut strömte über sein Gesicht. Avila wirbelte mit seiner Pistole in der Hand herum und tötete den Mann auf der Kabine am Mast. Und dann lenkten die verbli e benen Piraten zu Quaits unaussprechlichem Entsetzen mit einem Mal ihr Feuer auf Avila.
Sie schüttelte sich unter einem wahren Kugelhagel und stürzte zu Boden, während Flojian noch »Nein! Nein! Nein!« schrie und nach vorn sprang und die verbliebenen Gegner niederschoß.
Avila war tot, bevor sie bei ihr angelangt waren. Sie blutete aus mehr als einem Dutzend Wunden.
Kapitel 21
Flojian wollte alle umbringen.
Auch Quait war überzeugt, daß jede Rechtfertigung dazu bestand. Doch er brachte es nicht über sich, zwölf hilflose Männer zu exekutieren. (Zwei waren an Schußwunden gestorben, einschließlich des Kapitäns, und der eine, den Chaka über Bord gestoßen hatte, blieb verschwunden.) Chaka war entsetzt über das Vorhaben der beiden und sagte es auch. Sie wies darauf hin, daß Avila so etwas niemals zugelassen hätte, und Flojian gab zögernd nach.
Am Ende begnügten sie sich mit einer mehr symbolischen Rache.
Die Matrosen des Schiffes wurden gezwungen, sämtliche Kanonen über Bord zu werfen. Anschließend strich Flojian ihre Fahne ein und verstaute sie in ihrem Gepäck. Die Friedenfertige wurde am Ufer auf Grund gesteuert, das Ruder abmontiert, und dann steckten sie das Schiff in Brand.
Eine Viertel Meile flußabwärts entdeckten sie Shays vertraute Markierungen. Sie fanden sechs ihrer Pferde wieder, einschließlich Bali, Leichtfuß, Piper, und – zu ihrer aller Überraschung – Mista. Sie luden das Ruder der Friedfertigen auf den Hengst. Die Mannschaft wurde gefesselt am Ufer zurückgelassen. Beim Wegreiten warf Flojian ihnen ein stumpfes Messer hin.
Am Nachmittag erreichten sie ein Gewässer, das sich bis zum Horizont erstreckte. Aus Reisigbündeln errichteten sie einen Scheiterhaufen für Avila und gaben ihr als Teil der Zeremonie das Ruder und die Flagge der Frie d fertigen mit auf die Reise. Jeder sprach ein paar Worte über die zahlreichen wunderbaren Eigenschaften, die Avila Kap besessen hatte, und daß ihr Weg durch dieses Leben ein Segen für alle anderen Menschen gewesen war. Sie tranken Seewasser auf Avilas Wohl und sprachen über ihre Freude, daß Avila jetzt ihre Belohnung erhalten und frei sein würde von den Sorgen und Nöten dieser Ebene der Existenz. Diesmal jedoch kam die vorgetäuschte Freude aus dem Gefühl, daß ein erfülltes und geschätztes Leben zu Ende gegangen war. Chaka schluchzte
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