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Die ewige Straße

Die ewige Straße

Titel: Die ewige Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
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fünf Neuankömmlinge sprach er mit Namen an, und das, obwohl er manche jahrelang nicht mehr gesehen hatte. Nur Avila erkannte er nicht gleich in ihrer weltlichen Kleidung.
    »Schön, Sie wieder einmal im Verkrüppelten Mann begrüßen zu dürfen«, sagte er. »Wie ich höre, führen Sie eine Expedition durch? Wenn wir etwas für Sie tun können, zögern Sie bitte nicht, es zu sagen.« Unglücklicherweise war das Gasthaus fast zur Gänze belegt, und sie würden sich Zimmer teilen müssen. Jewel entschuldigte sich und gab seiner Hoffnung Ausdruck, daß das kein Problem darstelle. Doch die fünf hatten sowieso beabsichtigt, sich Zimmer zu teilen, und bis auf Flojian ließ sich niemand hinreißen, ein unzufriedenes Gesicht aufzusetzen.
    Jewel gab Anweisungen, daß ihr Gepäck abgeladen wurde, und zeigte ihnen persönlich die Zimmer. Er wünschte ihnen, daß sie ihren Aufenthalt genießen mögen, und bat ihn bald wieder einmal zu beehren. Sie dankten ihm und vereinbarten anschließend, sich zur siebten Stunde im Speisesaal zu treffen.
    Die Zimmer waren als Einzelzimmer gedacht, doch geräumig und komfortabel und fast so groß, wie Chaka sie in Erinnerung hatte. Die Vorhänge waren zurückgezogen, um das letzte Tageslicht einzulassen.
    In dem Zimmer, das Chaka und Avila sich teilen würden, brannte ein kleines Feuer und hielt zwei Wasserkessel warm. Öllampen flackerten zu beiden Seiten eines riesigen Betts mit dicken Kissen und Daunendecken, und ein frisch gereinigter Waschzuber stand einladend in der Nähe der Feuerstelle auf einem Holzpodest, das dazu diente, überfließendes Wasser aufzufangen.
    Zwei Pagen brachten Eimer mit frischem Wasser. Avila gab ihnen ein paar Münzen. »Danke sehr, Missis«, sagte der ältere der beiden Knaben. »Läuten Sie einfach die Glocke, wenn Sie etwas brauchen.«
    Die beiden Frauen waren staubbedeckt vom langen Ritt auf der Straße, und ein Bad stand ganz oben auf ihren Wunschlisten. Doch Chaka zierte sich. Der Raum besaß keine Vorhänge, um die Badeecke abzuteilen, und die Vorstellung, sich in Gegenwart einer Person auszuziehen, die einst dem Orden von Shanta angehört hatte, schreckte sie. Sie löste ihr Halstuch und zögerte, als ihr plötzlich bewußt wurde, daß Avila sie beobachtete. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht«, sagte Avila mit einer Spur von Belustigung, »dann beanspruche ich das Privileg der Älteren und wasche mich zuerst.«
    Nichts läßt Titel, Ansprüche und Vorbehalte so rasch verblassen wie Nacktheit. Keine zwanzig Minuten waren vergangen, da gestand Chaka ihrer Zimmergenossin, was sie selbst den ganzen Tag über nicht hatte wahrhaben wollen: Sie fühlte sich von Raney im Stich gelassen. Und in genau diesem Augenblick erkannte sie, daß die gemeinsame Zukunft, die sie sich mit Raney ausgemalt hatte, in Schutt und Asche gefallen war.
    »Wer weiß, wozu es gut ist«, sagte Avila. »Würden Sie ihn wirklich lieben, wären Sie wahrscheinlich gar nicht hier. Also haben Sie vielleicht etwas über sich selbst herausgefunden.«
    »Vielleicht.« Doch es änderte nichts, es tat weh.
    »Warum sind Sie mitgekommen?« fragte Avila. »Der Preis, den Sie dafür zahlen, erscheint mir um Einiges höher als bei uns anderen.«
    Chaka erzählte von ihrem Bruder, und Avila lauschte schweigend. »Und wie steht es mit Ihnen?« fragte sie schließlich.
    »Für mich war es eine Chance zur Flucht«, gestand Avila. »Die Straßenbauer sind faszinierend. Falls dieses Haven tatsächlich existiert, würde ich auf keinen Fall versäumen wollen, es zu sehen.«
    Chaka saß auf der Fensterbank und beobachtete, wie der Himmel im Westen allmählich rot wurde. »Ich erwarte, daß wir eine Ruine vorfinden, falls wir Haven übe r haupt finden«, sagte sie. »Es ist sicher verfallen, genau wie alles andere auch.« Sie berichtete Avila von Mark Twains Zeitreiseidee im Yankee aus Connecticut und wie sehr sie sich wünschte, daß so etwas möglich wäre. »Ich hätte ihre Städte so gerne einmal gesehen, als sie noch voller Leben waren. Ich wäre gerne auf ihren Straßen gereist, bevor die Wälder sie verschlungen haben. Und ich hätte zu gerne gesehen, wie die Hojjies tatsächlich funktionierten.«
    »Wagen, die keine Zugtiere benötigen«, sagte Avila. »Ich weiß immer noch nicht so recht, ob ich das glauben soll.« Sie stand mit einem Fuß auf einem niedrigen Schemel, schöpfte heißes Wasser aus dem Zuber und goß es sich über Schultern und Brüste. Schaum rann in den Abfluß. (Die Illyrer setzten

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