Die ewige Straße
erklärte Silas. »Angeblich hat er Wegezoll von jedem verlangt, der hier vorbeikam. Entweder Zoll oder den Kopf.«
»Pelio hat ihn schließlich zur Strecke gebracht«, sagte Quait. Pelio war ein mindestens ebenso berühmter Held der Argoniten.
Sie überquerten einen Zufluß des Ohio auf einer wackligen alten Brücke und machten Halt, um ein paar Fische für das Mittagsmahl zu fangen.
Beekums Weg beschrieb einen Bogen nach Norden, und nach und nach veränderte sich der Wald. Die bekannten Roten Zedern und Eichen und Baumwollbäume kamen zwar immer noch häufig vor, doch neue Bäume gesellten sich hinzu – Arten, die sie noch niemals gesehen hatten. Zur Linken tauchte der Ohio wieder auf, und an mehreren aufeinanderfolgenden Nächten schlugen sie an seinen Ufern ihr Lager auf.
Die Nächte waren angenehm. Der Mond schien hell, es war ungewöhnlich warm für die Jahreszeit, und allgemein herrschte fröhliche Stimmung. Sie waren jetzt in der dritten Woche unterwegs, und jeder hatte sich inzwischen mehr oder weniger an das Leben in der freien Natur gewöhnt. Am 7. März erreichten sie eine Stelle, wo ein großer Nebenfluß von Norden her in den Ohio mündete. »Das ist der Wabash«, erklärte Shannon. »Haltet die Augen offen. Direkt vor uns muß es eine Furt geben, und wahrscheinlich haben unsere Vorgänger dort den Fluß überquert.«
Sie entdeckten zwei Markierungen, beide auf Baumwollbäumen, die in den Fluß zeigten.
»Sieht so aus, als hätte er Baumwollbäume gemocht«, sagte Flojian.
Shannon setzte den Hut ab und wischte sich über die Stirn. »Wahrscheinlich hat Landon Shay sie benutzt, wann immer möglich«, sagte er. »Das macht es leichter für uns, seine Markierungen zu entdecken.«
Chaka starrte auf den Fluß hinaus. »Ganz schön weit bis zur anderen Seite«, sagte sie.
Shannon lächelte. »Das Wasser ist nicht so tief, wie es aussieht.«
»Nicht so tief, wie es aussieht?« erwiderte Chaka. »Es sieht verdammt tief aus!«
Doch wie sich rasch herausstellte, war es nicht die Tiefe, sondern die Strömung, die ihnen zu schaffen machte. In der Mitte wurde sie reißend. Piper stolperte und stürzte, und fast wären Pferd und Reiter davongerissen worden, doch Quait und Avila kamen Chaka rechtzeitig zu Hilfe.
Als sie das andere Ufer erreicht hatten, beschlossen sie, für den Rest des Tages zu rasten. Sie wrangen ihre Kleider aus und genossen anschließend eine reichhaltige Fischmahlzeit.
Der Weg zog sich jetzt am Wabash entlang nach Norden hin. Sie kamen an einem weiteren Schild vorbei. Es trug die Aufschrift HOVEY LAKE – STAATLICHES WILDRESERVAT.
Der Wabash war nicht so breit und mächtig wie der Ohio. Er floß ruhig und langsam dahin und war jeden Morgen bis in die Mittagsstunden in Dunst gehüllt. Ab nun gab es keine Straße mehr. Das Wetter schlug um. Es wurde feucht und kalt, als hätte die Überquerung des Ohio sie in eine andere Klimazone geführt. In der ersten Nacht fanden sie in einer alten Scheune Zuflucht. Gegen Morgen setzte Schneeregen ein. Das schlechte Wetter hielt fünf aufeinanderfolgende Tage an, und die gute Stimmung, die sich während der Woche an den Ufern des Ohio unter ihnen breitgemacht hatte, verschwand nach und nach.
Am 13. März überquerten sie eine gewaltige Straße. Das Wetter besserte sich. Die Sonne kam hervor, und es wurde warm. Im Westen erhob sich die mächtige Straße hoch über den Fluß und endete unerwartet mitten in der Luft.
Chaka saß auf Piper und beobachtete Silas, der eine Skizze des Panoramas in sein Journal zeichnete. »Das ist keine Brücke, die ich in der Nacht überqueren möchte«, sagte sie.
Sie ritten auf eine Lichtung hinaus, die am Fluß eines niedrigen Höhenrückens lag. Shannon hob die Hand, und sie zügelten ihre Tiere. »Das ist sehenswert«, sagte er.
Chaka blickte neugierig in die Runde und sah nichts. Die anderen reagierten nicht weniger verwirrt.
»Was denn?«
»Der Höhenrücken«, erklärte Shannon.
Er war gerade und langgezogen, kam zur Rechten aus dem Wald und verlief schnurgerade über ihren Weg, um zur Linken wieder im Wald zu verschwinden. Der Kamm war gewölbt und mit Gras und Laub bedeckt.
Ansonsten war das einzig Bemerkenswerte, daß er wie ein ganz normaler Höhenrücken aussah.
»Er verläuft nicht wirklich gerade«, sagte Shannon. »Das sieht nur so aus, weil wir nicht viel davon sehen können. Tatsächlich bildet er einen vollkommenen Kreis mit einem Umfang von siebzig Meilen.«
Quait beugte sich im
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