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Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Titel: Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Fu
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grub sich die Kante der Scherbe von ganz allein in die weiche,
gebräunte Haut, die hellen Härchen kringelten sich sanft in träge fließendem
Blut, zzzzzzt... zzzzzzzzt ... , präzise, akkurate Schnitte in frischer,
noch unverbrauchter, unverletzter Haut, fast wie die eines Kindes. Und Frau
Weinwurm kniff die Augen zusammen und arbeitete sich konzentriert bis zum
Ellenbogen vor und dann auf der Unterseite wieder hinab bis zum Handgelenk und
sollte noch irgendwo in verborgenen Winkeln des Körpers ein Fünkchen Leben pulsiert
haben, so, triumphierte Frau Weinwurm, war diesem nun endgültig ein Ende
gesetzt und sie setzte fachmännisch den Schnitt bei den Pulsadern an. Sie
betrachtete die Scherbe kritisch und warf sie in die blutige Pfütze, fingerte
in der Lache nach einem größeren Stück und fand schließlich den Flaschenboden,
an dem sich noch ein Kante nach oben wand, scharf, geriffelt...
zzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzt! Frau Weinwurm stand auf und ließ die Decke auf den
gemarterten, bewegungslosen Körper fallen. Sie schlüpfte aus den
Gästepantoffeln, trat auf Zehenspitzen zwei Schritte auf die sauberen
Marmorfliesen zurück und betrachtete die bluttriefenden Hausschuhe. Gut, dass
ein ganzer Sack davon an der Garderobe stand, diese hier waren hinüber, völlig
unbrauchbar, sie konnte sie nicht unauffällig in den Sack zurückstopfen, der
Ehemann, der holde Gatte, würde dies früher oder später sicher merken und –
Kind, man muss immer ein Unrecht sofort zugeben, hinterher wird’s schlimmer -, aber das ging nun wirklich nicht, und so musste sie sie wohl oder übel
klauen, aus der Lache fischen, in eine Plastiktüte stopfen und in ihren
Rucksack werfen, und ausgerechnete Frau Weinwurm, die in 20 Jahren keinen
Radiergummi aus der Firma gestohlen hatte! Dann stieg sie über die chinesische
Bodenvase und trippelte barfuß in das Badezimmer, um sich die Hände zu waschen.
    Wann war das nur
alles geschehen? Frau Weinwurm runzelte die Stirn.
    » Feo, fuerte y
formal .«
    Frau Weinwurm wandte
sich um und sah Bernardo an, der seinen Blick hastig von ihren Narben zu ihrem
Gesicht hob.
    »Wie bitte?«
    » Feo, fuerte y
formal . Er war hässlich, stark und hatte Würde. Das war der Spruch, den
mein Daddy auf seinen Grabstein meißeln wollte, aber es wurde ihm nicht
gestattet. Vielleicht war es zu blasphemisch.«
    Frau Weinwurm klopfte
ihren Rock aus und betrachtete bekümmert ihre schmutzstarrenden Stiefel.
    »Ei wei, die kleinen
Büffelchen brauchen eine Dusche!«
    »Die kriegen sie
gleich, und was für eine, wenn wir uns nicht beeilen.«  
    Sie liefen über das
Felsplateauund machten sich an den beschwerlichen Abstieg.
    »Versprich mir!«,
keuchte Frau Weinwurm und rutschte schlingernd den Hang hinab, bis ein
Felsbrocken sie stoppte. »Versprich mir, dass du diesen Spruch auf meinen
Grabstein gravieren lässt: Sie war hässlich, stark und hatte Würde. Versprichst
du es? Ich will es unbedingt!«
    »Aber... «
    Bernardo fühlte einen
Tropfen im Nacken und sah in den dunkelgrauen Himmel, durch den in der Ferne
die ersten Blitze zuckten. »Aber sie werden doch nach Deutschland zurückgehen
und dort wird ihre Familie sie... und außerdem spricht man nicht auf diese
Weise über den Tod!«
    »Papperlapapp, kein
Deutschland, keine Familie, mein Daddy ist HIER. Und hier werde ich
begraben, in jedem Fall, mehr will ich gar nicht mehr vom Leben. Also versprich
es!«
    Frau Weinwurm blieb
ruckartig stehen und verschränkte trotzig die Arme.
    »Wir müssen weiter!
Haben Sie hier schon mal ein Gewitter erlebt? Kurz und äußerst schmerzhaft, das
ist das einzige, was ich Ihnen definitiv versprechen kann! Los! Nun machen Sie
schon, oder Sie können sich direkt hier Ihr Grab schaufeln!«
    »Umso besser!
Versprich es.«
    Die Sporen klirrten,
als Frau Weiwurm heftig aufstampfte.
    »Gut, gut, ich
schwöre es: Fea, fuerte y formal . In Marmor, in Stein, in Sand.
Gemeißelt, gemalt, gepinselt, ganz wie Sie wünschen.«
    »Heissa, fein! In
Marmor also!«
    Grollender Donner
dröhnte über ihren Köpfen, und sie rannten und stolperten mit einem Mal durch
eine tosende Wasserwand. Triefend erreichten sie das Auto und kletterten hastig
und schwer atmend hinein.
    »Wir warten, bis der
Regen vorbei ist. Keine dreißig Sekunden, passen Sie auf.«
    Frau Weinwurm zählte
leise mit und bei fünfundzwanzig platterten die letzten Regentropfen auf das Autodach,
der Wind rüttelte entkräftet an den Türen und gab dann ganz auf. Sie klopfte
Bernardo

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