Die Ewigen
immer noch wichtig und war ein bisschen guten Mutes, dass Shara ihn trotz dieser schrecklichen Nacht doch noch einmal würde tragen können.
Im grauen Haus stellten wir das Gepäck in einem leeren Gästezimmer ab, dann nahm Jack seinen Platz auf der Treppe wieder ein. Ich war zu Tode erschöpft, würde aber garantiert nicht schlafen können, also leistete ich ihm Gesellschaft, dämmerte ab und zu leicht weg und schrak hoch, sobald jemand an uns vorbei die Treppen hinauf oder hinunter lief, Taschen in Autos verstaut wurden und die aus dem Haus Verbannten sich ins Hotel verzogen. Ich war froh, bleiben zu dürfen, hatte aber auch ein schlechtes Gewissen, weil ich Drake aus den Augen verloren hatte. Wenn wir ihn hätten, würde das viele Fragen beantworten, unter anderen auch die, die mich gerade am meisten quälte, ausgelöst durch die Tatsache, dass er Shara halbtot zurückgelassen hatte: Was genau hatte Drake eigentlich gewollt? Hatte er sie töten wollen? Das machte keinen Sinn, denn was hätte er davon? Shara war kostbar, solange sie lebte, tot nützte sie niemandem. Ein Entführungsversuch war das aber auch nicht gewesen - er hatte sofort zugestochen und keinen Versuch gemacht, sie mit sich zu nehmen. Ich sah Drakes Schatten über Shara, sah sein bösartiges Gesicht - es blieb bei mir, als ich einduselte, und erschreckte mich, wenn ich wieder erwachte. In meinen kurzen Schlummerphasen gellte immer öfter Sharas gequälter Schrei durch meinen Kopf, ich träumte von ihren aufgerissenen Augen und dem Entsetzen, was darin zu lesen gewesen war: die ersten Alpträume, die ich seit gut hundert Jahren gehabt hatte, was sie womöglich noch ein wenig schauerlicher machte.
"Wir fahren mit Shara zur Burg, das ist doch was, oder?", fragte ich Jack leise, als die erste Dämmerung mich weckte und Ciaran mit einem müden Lächeln an uns vorbei zu seinem Zimmer hinauf ging, um ein bisschen zu schlafen.
Jack schüttelte den Kopf, fuhr sich mit den Händen durch die Haare.
"Magnus, sei doch nicht so naiv. Sie wird dort drinnen irgendwann wach werden, die Kreuze sehen - und dann kannst du ihr die Koffer zum Taxi tragen. Andreas hat sie heute Nacht betrogen, und das wird sie nicht akzeptieren."
"Du glaubst nicht, dass sie an der Wunde gestorben wäre?"
"Doch", sagte er, und ich war verwirrt.
"Erklär's mir."
"Der zweite Stich wäre genug gewesen, um sie zu retten. Zwei Stiche formen die Kreuznarbe, und die allein ist wichtig, wenn man der Chronik glauben darf, die allein gibt ihrem Körper diese Kraft, um sich selbst auch von solch einer Verletzung zu heilen. Das Gold und diese Schnörkel sind nur ein Symbol für die besondere Stellung des Schwertlösers in der Hierarchie des Ordens, noch über Andreas und Ciaran. Sie mit dem zweiten Stich zu retten, das war absolut richtig - aber sie mit dem Gold und der Ausformung der Narbe zum Ordensmitglied zu machen, das war falsch. Sie hat nie gesagt, dass sie Mitglied in diesem Orden werden will, ganz im Gegenteil. Und die goldene Kreuznarbe fand sie abschreckend, sie war richtiggehend entsetzt, als ich ihr davon erzählt habe. Jetzt hat Andreas ihre Entscheidung für den Orden, ihre Zustimmung zu dieser ganzen Sache überflüssig gemacht." Jack blickte hoch und ich sah an seinen geröteten, trüben Augen, dass er ebenso müde war wie ich. "Was aber das Schlimmste ist: Nach diesem Angriff wird sie ängstlich und schockiert sein, und das kann Andreas ausnutzen, um ihr Schutz anzubieten und sie so zum Bleiben zu bewegen."
"Und was wirst du tun?"
Er sah mich nicht an, sondern starrte zu den Fenstern hinüber, die die Morgenröte jetzt in mildem Orange leuchten ließ.
"Ich weiß es nicht, das ist ja das Schlimme. Wenn Drake sie jagt, sollte Shara bei uns bleiben, denn wir können sie schützen. Aber wahrscheinlich gibt es auch hier einen Verräter, denn jemand von uns muss Drake den Dolch gegeben haben. Ich denke, ich werde einfach in ihrer Nähe bleiben - und ich werde auf alles und jeden ein Auge haben, ob Kreuzritter oder nicht."
Ich dachte über seine Worte nach. "Ich glaube, du unterschätzt Shara", sagte ich schließlich. "Natürlich hat sie jetzt Angst, aber sie ist auch verdammt dickköpfig und mutig - sie weiß, was sie will, und sie lässt sich nicht so leicht unterkriegen. Aber wir werden sie beschützen, gegen wen auch immer" sagte ich, und bot Jack meine Hand zum Pakt.
Shara
Wie lange ich in der Dusche gesessen hatte, konnte ich nicht sagen, aber niemand störte mich -
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