Die Ewigen
verbracht hättest wie ich, dann wüsstest du, dass Kinder nicht nur die liebsten und dankbarsten Patienten sind, sondern auch diejenigen, die es nicht wundern wird, wenn es ihnen merklich besser geht, nachdem jemand eine halbe Stunde ihre Hand gehalten hat. Bei Kindern brauchst du auch niemals zu fragen, ob sie eine Heilung verdient haben, ob sie gute Menschen sind - das ethische Problem bleibt also erstmal außen vor. Und wenn es ihnen plötzlich besser geht, werden die Eltern dem behandelnden Arzt danken und keine Fragen stellen - selbst wenn die Kinder erzählen würden, du hättest sie geheilt, wird ihnen das niemand glauben. Außerdem gibt es für Kinder in den meisten Krankenhäusern ehrenamtliche Betreuungsprojekte, da bekomme ich dich problemlos und kurzfristig rein."
Shara dachte nach, den Blick wieder auf ihre Hände gesenkt, wir anderen schwiegen und warteten.
"Du hast recht - Kinder werden am wenigsten Fragen stellen. Aber was die Frage nach der Ethik angeht, da kann ich dir nicht zustimmen: Die wird auch hier eine Rolle spielen, denn wenn du an meine Kräfte glaubst, wirst du entscheiden müssen, wer weiter leiden muss und wer vielleicht Linderung erfährt." Sie hob die Hand, als Ciaran zum Sprechen ansetzte. "Moment, ich bin noch nicht fertig. Ich akzeptiere deinen Plan, er ist gut. Aber du hast auch recht, wenn du sagst, dass ich nicht an diese Heilkraft glaube, von der du gesprochen hast. Sie wird nicht sein, was du dir oder was ihr euch erhofft. So etwas gibt es nicht."
Wen genau Shara mit 'ihr' meinte, war mir nicht ganz klar. Ciaran und Andreas? Uns alle? Ich fühlte mich auf jeden Fall nicht angesprochen, Jack ganz bestimmt auch nicht. Es war schon komisch - vor gerade mal einer guten Woche hatte ich in Gemeinschaft mit meinen Brüdern und Schwestern einen prüfenden Blick auf dieses große, viel zu dünne Mädchen geworfen und mich im Chor mit ihnen gefragt, ob sie wirklich diejenige sein konnte, auf die wir gewartet hatten. Und jetzt regte sich bei diesem kleinen 'ihr' von Shara sofort Widerspruch in mir: Ich wollte nicht zu diesem 'ihr' gehören, wenn es der Prinzessin gegenüberstand, ich wollte auf ihrer Seite stehen, auf der 'wir'-Seite.
Ciaran beugte sich vor, die Hände offenbarend geöffnet. Andreas hatte sich in seinem Sessel aufgesetzt, er ließ Shara keine Sekunde aus den Augen und registrierte jede noch so kleine Bewegung, die sie machte, jedes Zucken in ihrem Gesicht. Er überließ zwar Ciaran die Show, aber es war absolut klar, dass dies eines der wichtigsten Gespräche war, die er in seinem langen Leben geführt hatte: Shara war das Ziel all seines Strebens, und heute ging es um Bedingung Nummer Drei, beziehungsweise um die Bereitwilligkeit der Prinzessin, diese Bedingung überprüfen zu lassen. Ach, ich habe die Bedingungen hier noch gar nicht aufgelistet? Okay, hier sind sie, Copyright Magnus: Shara hatte das Schwert gelöst (Bedingung eins), sie trug die Goldkreuze auf dem Körper (Bedingung zwei), sie hatte besondere Kräfte offenbart (Bedingung drei) - jetzt fehlte nur noch ihre finale Zusage für den Orden (Bedingung vier). War auch die erfüllt, würden wir Kreuzritter ... was auch immer: Die Welt verbessern, einfach ein bisschen Gutes tun. Aber Bedingung vier war noch Zukunftsmusik, heute ging es erst um Nummer drei - und dass ich schon wusste, wie Shara sich entscheiden würde, machte mich ein bisschen weniger 'ihr', machte mich stolz.
"Du wirst es übermorgen sehen, Shara - wir alle werden es sehen", sagte Ciaran.
Shara schwieg und lehnte sich in ihrem Sessel zurück, verschränkte die Arme vor der Brust.
Ciaran wollte weiter sprechen, aber Andreas gebot ihm mit einer kurzen Geste zu schweigen, während Shara mit geschlossenen Augen nachdachte. Die Stille währte wohl nur ein oder zwei Minuten, reichte aber für weitere Gedankenwirbel in meinem Kopf: Ob es wohl einen Plan B gab, sollte Shara Nein sagen? Ich verdrängte diesen Gedanken schnell: Er würde mich nur unnötig wieder in ein verwirrendes 'Ihr'- und 'Wir'-Denken stoßen - und vielleicht sogar zu der fatalen Frage führen, auf welcher Seite ich im Fall der Fälle stehen würde. Aber es war undenkbar, dass Andreas und Ciaran Shara zu irgendetwas zwingen würden, absolut unmöglich!
"Ich habe ein paar Bedingungen", ließ sich Shara wieder vernehmen, und ich lehnte mich mit allen anderen gespannt vor, war erneut ganz 'ihr', denn von Bedingungen hatte sie heute beim Laufen nichts gesagt.
"Ich werde nachher
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