Die Ewigen
lachte. "Ich habe keine Figur, ich bin einfach nur lang und dünn - und ich wollte immer schon so dicke Locken haben."
Ich sah ihm an, dass er mich nicht wirklich verstand - wer so aussah, hatte wahrscheinlich noch nie zweifelnd (oder: verzweifelt!) vor dem Spiegel gestanden. Ich hockte mich auf die Kaimauer, und wie schon bei unserem Spaziergang zur Engelsburg am Samstag lehnte Jackson sich neben mich - ein kleines bisschen näher diesmal, aber auch wirklich nur ein kleines bisschen.
"Magnus war gestern ziemlich sauer auf dich, oder?", erkundigte ich mich, während der Wind ein paar süße Zimtteilchen in meine Nase fächelte.
"Kann man so sagen."
"Habt ihr das ... geklärt?"
Jackson nickte und rieb sich nachdenklich die Brust, bemerkte natürlich meinen fragenden Blick.
"Nur eine angeknackste Rippe."
Ich riss die Augen auf. "Hat er dich geschlagen?"
"So was Ähnliches. Magnus hat eine Trainingseinheit angesetzt."
"Was für ein Training?"
"Schwert."
Ich verschluckte mich an der Cola, hustete. "Ihr geht mit Schwertern aufeinander los?"
"Stumpfe Übungsschwerter - aber ja, tun wir. Wir haben zwei Schwertkampfmeister, Magnus ist einer davon. Deshalb hat er das Recht, mein Können jederzeit zu überprüfen."
"Auch nachts?"
Jackson lachte leise. "Was hätte ich tun sollen? Mich bei Andreas darüber beschweren?"
'Nachdem ich dir illegal diese Kopien aus der Chronik gemacht habe', wollte er wohl sagen, und ich verstand: Hätte er sich beschwert, hätte Magnus nur den Grund für seine Wut enthüllen müssen, und Jackson wäre verraten gewesen.
Aber trotzdem: Schwertkampf? Also doch Kreuzritter mit Schwertern? Ich speicherte das in der mittlerweile überquellenden Schublade mit der Aufschrift 'nur wundern, später darüber nachdenken' und schüttelte als Antwort überfordert den Kopf. Mir war klar, dass diese Schublade irgendwann überquellen und mir ihren Inhalt unsortiert vor die Füße spucken würde, aber wie es immer so war mit dem Aufräumen: Gerade war keine Zeit, später dann.
Ein leichter Wind kam auf, die Boote vor uns neigten sich in der stärker werdenden Dünung. Ein milder Geruch nach Meer, Tang und Fisch lag in der Luft, ich fand ihn erfrischend nach der stickigen Stadtluft der letzten Tage.
"Wie geht es nun eigentlich weiter?", fragte ich Jackson, nachdem wir ein paar Minuten geschwiegen hatten, und er verstand natürlich gleich, was ich meinte.
"Andreas wird dich bald bitten, bei uns zu bleiben. Und du wirst dich entscheiden müssen."
Damit hatte ich gerechnet - die Woche, die ich den Kreuzrittern gegeben hatte, wäre am Sonntag rum. Beweise für die Schwertlegende, die Unsterblichkeit der Kreuzritter und all die anderen großen und kleinen Phantastereien waren weiterhin nicht in Sicht - mit Ausnahme der Jahrhunderte alten Handschriftenprobe von Andreas aus der Chronik, aber das war kein Beweis, sondern lediglich mein unprofessioneller Eindruck gewesen. Es gab also weiterhin nur Andreas und Ciarans Bitte an mich, beim Orden zu bleiben - und da war ich noch zu keiner Entscheidung gekommen, hatte mich aber auch ehrlich gesagt nicht weiter um eine solche bemüht.
"Und wenn ich bleibe? Dann wartet ihr alle bis zur Ewigkeit darauf, dass ich ... besondere Kräfte zeige, die ich definitiv nicht habe und auch nie haben werde?"
"Ja."
"Absurd."
Jackson drehte sich zu mir um.
"Vielleicht. Aber es wäre trotzdem kein schlechtes Leben für dich. Wir sorgen gut für dich, es wird dir nie mehr an irgendetwas mangeln."
Ich lachte bitter. "Die Erwartungen nicht erfüllen zu können, die andere an einen stellen - das würde ich nicht als gutes Leben bezeichnen."
Er erwiderte nichts darauf, aber sein klares Gesicht sagte mir deutlich, dass er die Situation nicht so skeptisch beurteilte, dass er nach wie vor an diese Legende glaubte - und davon musste ich ihn heilen, ebenso wie er mich wohl gestern von dem Gedanken hatte heilen müssen, er wäre immer ein braver Junge gewesen.
"Jackson, ich habe keine besonderen Kräfte. Ich kann nichts, was nicht jeder andere auch kann, vieles davon noch nicht einmal besonders gut. Ich würde euch nur enttäuschen, und das tue ich mir nicht an."
"Du hast ja auch dein Kreuz noch nicht erhalten. Vorher wird da nichts geschehen."
Mir war klar, was er damit meinte: Die Narbe auf der Brust, gezogen mit einem Dolch in meinem Fleisch - aber das kam nun wirklich nicht in Frage!
"Ich lasse mich doch nicht so ..." - 'verunstalten', hatte ich eigentlich sagen wollen, doch
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