Die Fackel der Freiheit
erschöpfenden Aufgabe herumschlug, Herlander Simões zumindest noch so lange ›funktionsfähig‹ zu halten, bis dieser seine Arbeiten abgeschlossen hatte, zwang die neue Brille ihn dazu, seine Umwelt mit schonungsloser Ehrlichkeit zu betrachten, und zu was das Alignment geworden war. Tief in seinem Innersten, das wusste er, glaubte er immer noch an die Detweiler-Vision, der er sich schon als Jugendlicher verschrieben hatte. Er war immer noch davon überzeugt, es sei ein gewaltiger, tragischer Fehler, dass der ganze Rest der Galaxis vor der Vorstellung zurückschrak, die ganze Menschheit genetisch so zu verbessern, dass sie endlich zu dem werden konnte, was für sie tatsächlich möglich war. Damit gab man so viel auf, wandte so vielen Möglichkeiten den Rücken zu, verdammte so viele Menschen dazu, weniger zu sein, als sie sein könnten. Daran glaubte Jack McBryde, mit jeder Faser seines Daseins.
Aber, gestand er sich ein und wagte sich damit zum ersten Mal auf dieses Terrain vor, du glaubst nicht mehr, dass wir das Recht haben, all jenen, die anderer Ansicht sind als wir, unsere Vision ihrer Zukunft aufzuzwingen. Das ist dir mittlerweile dann doch zu viel, oder nicht, Jack? Und dazu geführt hat einzig und allein das, was der Ausschuss Francesca - und Herlander - angetan hat.
Nein, eigentlich ist das nicht ganz richtig, verbesserte er sich selbst. Es lag nicht nur an der Tragödie der Familie Simões. Es lag an vielen Dingen, einschließlich der Erkenntnis, wie viele Milliarden Menschen die Strategie des Alignments ganz unweigerlich das Leben kosten würde - an dem ›Kollateralschaden‹, den die Große Strategie des Alignments hinzunehmen bereit war.
Und es liegt daran, dass du endlich erkannt hast, wie sehr du persönlich unmittelbar dafür verantwortlich sein wirst, diese Todesfälle herbeizuführen, dachte er verzweifelt.
Er wusste, dass diese Selbstvorwürfe in vielerlei Hinsicht ungerecht waren. Er mochte ja einer Alpha-Linie entstammen, aber er war trotzdem nur ein winziges Rädchen in der gewaltigen Maschine des Mesanischen Alignments. Sein persönlicher Beitrag zu dem, was geschehen würde, war zwar nicht bedeutungslos, aber er war statistisch insignifikant. Ja, er hatte zu dieser Welle des Todes, die durch die gesamte Galaxis branden würde, durchaus beigetragen - effektiv, enthusiastisch und mit einem Gefühl tiefster Befriedigung -, doch angesichts der Größe des Ganzen konnte man seinen direkten Beitrag zu diesem Massenmord nicht einmal bemerken - und es wäre zutiefst egoistisch und egozentrisch von ihm, etwas anderes anzunehmen.
Aber darum ging es eigentlich gar nicht, oder? Das war es nicht, was ihm zunehmend den Schlaf raubte. Nein, es ging darum, dass er dazu beigetragen hatte. Dass er einfach mitgemacht hatte, dass er sein Leben der Aufgabe gewidmet hatte, diesen Moloch, zu dem das Mesanische Alignment geworden war, zu perfektionieren, zu beschützen und - letztendlich - überhaupt auf den Weg zu bringen. Er wäre niemals auf die Idee gekommen, dergleichen nicht zu tun, und genau das war es, was er sich selbst niemals vergeben würde. Er hatte sich ja nicht einmal seinen eigenen Zweifeln gestellt, seinen Sorgen, und so hatte er sich auch niemals bis zu dem Entschluss vorgekämpft, letztendlich würden die Vorzüge, die sich daraus für die Menschheit ergäben, bei weitem die Kosten aufwiegen, die einzelnen Individuen entstehen mochten. Nicht einmal das hatte er getan.
Er gab einen weiteren kurzen Befehl ein, und die Nahaufnahme von Simões und seinem Team verschwand von der smarten Wand. Ein anderes Bild erschien an dessen Stelle - die Aufzeichnung eines Gesichtes, mit großen braunen Augen, olivfarbener Haut und einem breiten Lächeln, das Grübchen in den Wangen erscheinen ließ. Das Lächeln hatte dem Vater dieses Mädchens gegolten - ihm und seiner Kamera. McBryde blickte in diese lachenden Augen, sah all die Freude und Liebe, die man dem Mädchen selbst und auch Francesca Simões' Eltern geraubt hatte, und er wusste, er hätte sich diesen Fragen stellen müssen. Er hatte das Mädchen, das ihn von der Mitte seiner Bürowand aus anlächelte, niemals persönlich kennen gelernt, und doch verkrampfte sich sein Herz, und seine Augen brannten, als er Francesca jetzt anschaute.
Sie war nur ein einzelnes Kind, nur eine einzelne Person, sagte er sich. Wie viel kann ein einzelnes Leben wirklich zählen in einer Schlacht, in der es um das Schicksal der gesamten Menschheit geht? Das ist doch
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