Die Fackel der Freiheit
Forschungstätigkeit des Alignments nicht von einzigartiger Bedeutung. Er war nicht unentbehrlich - zumindest langfristig betrachtet, wie negativ sich sein Ausscheiden aus den derzeitigen Projekten seines Teams auch vorerst auswirken mochte. Und McBryde gab sich keinerlei Illusionen hin, was mit Simões geschehen würde, wenn erst einmal sämtliche dieser derzeitigen Projekte in trockenen Tüchern waren.
Die werden ihn einfach rauswerfen, genau das wird passieren, dachte McBryde grimmig. Eigentlich kann man es ihnen ja auch nicht verübeln. Er ist so durchgedreht, dass niemand ihn freiwillig in irgendein Team aufnehmen würde, solange es noch eine Chance gibt, jemand anderen dafür zu finden. Und er selbst sieht das auch schon kommen. Ich glaube, das ist einer der Gründe, warum sein Temperament in letzter Zeit immer öfter mit ihm durchgeht. Aber was zur Hölle wird passieren, wenn er jetzt auch noch seine Arbeit verliert?
Gequält verzog er das Gesicht, als ihm ein noch düstererer Gedanke durch den Kopf ging. Da Simões sich des Countdowns durchaus bewusst war, der ihm anzeigte, wie lange er noch seine derzeitigen Aufgaben würde erfüllen dürfen, bestand die Gefahr, dass sein Zorn und seine Verzweiflung ihn zu irgendeiner selbstzerstörerischen (und letztendlich doch nutzlosen) Verzweiflungstat antrieben, um Rache zu nehmen. Und genau das stand ganz weit oben auf McBrydes ›Liste der Dinge, um die man sich Sorgen machen musste‹.
Und was ist mit dir selbst, Jack?, fragte er sich und starrte die Großaufnahme von Herlander Simões an. Der Hyperphysiker arbeitete an seinem Terminal, ganz alleine in seiner selbstgeschaffenen Blase der Einsamkeit und Isolierung. Du bist nicht so durchgedreht wie er ... noch nicht, zumindest. Aber infiziert hast du dich auch schon, oder? Und Zack macht sich jetzt allmählich auch Sorgen um dich, stimmt 's? Er weiß noch nicht, was dich innerlich so zerfrisst, aber er weiß ganz genau, dass es da irgendetwas gibt, was an dir nagt.
McBryde lehnte sich in seinem Sessel zurück, rieb sich mit beiden Händen über die Augen und spürte, wie eine düstere Welle der Verzweiflung über ihn hinwegbrandete. In dieser Verzweiflung lag auch mehr als nur ein wenig Zorn, und ein Großteil dieses Zorns richtete sich gegen Herlander Simões. Vom Kopf her wusste McBryde genau, wie irrational es war, wütend auf Simões zu sein - ebenso irrational wie Simões' Jähzorn, der weißglühend aufflammen konnte, bloß weil einer seiner Kollegen eine völlig unbedeutende Bemerkung hatte fallen lassen. Und eigentlich war es ja auch gar nicht Simões, der das Ganze ausgelöst hatte. Aber etwas hatte der Hyperphysiker eben doch getan: Er war zu dem Faktor geworden, der dafür gesorgt hatte, dass sich McBrydes eigene ... Zweifel kristallisiert hatten. Und das musste er sich selbst gegenüber auch grimmig eingestehen.
Während er dabei zugeschaut hatte, wie Simões Stück für Stück immer weiter zerfiel, war das, was dem Hyperphysiker und seiner Tochter widerfahren war, zu einem eigenen Mikrokosmos geworden - einem Mikrokosmos, in dem sämtliche seiner eigenen Zweifel lebten, alle seine Sorgen über das Mesanische Alignment und dessen letztendliche Ziele. Und das, dachte McBryde, liegt daran, dass das Schicksal der ganzen Familie Simões tatsächlich ein Mikrokosmos ist. Nicht einmal der Verstand eines Alpha-Mesaners vermochte wirklich das Konzept von Jahrhunderten zu verstehen - nicht auf grundlegender, emotionaler Ebene -, das Konzept tausender besiedelter Welten und buchstäblich Billionen von Menschenleben. Der Maßstab, die Reichweite, das alles war einfach zu groß. Der Verstand zog sich nur allzu rasch auf ›eins, zwei, drei, viele‹ zurück - man vermochte die Begriffe intellektuell zu erfassen und auch zu verarbeiten, man konnte sie in Pläne und Strategien zerlegen, aber wahrlich begreifen konnte man das alles nicht. Nicht tief im Innersten - dort, wo der Mensch tatsächlich lebt.
Doch Herlander, Harriet und Francesca Simões verkörperten eine Tragödie rein menschlichen Ausmaßes. Das ließ sich begreifen, das konnte man verstehen. Das konnte man erfahren, zumindest aus zweiter Hand, und was noch schlimmer war: Man konnte es nicht einfach ignorieren. Man konnte es nicht mit ›geht mich nichts an‹ abtun und bequem unter den Teppich kehren und einfach mit seinem eigenen Leben weitermachen.
Zumindest Jack McBryde konnte es nicht.
Und während er sich noch mit der emotional zutiefst
Weitere Kostenlose Bücher