Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)
persönlich – doch das machte ihm die Bürde des Verrats an diesen Männern nicht leichter.
Aber . Genauso lebhaft wie an diesen widerwärtigen Eid erinnerte er sich an einen winzigen Schädel mit braunem Haar, der unter einem Ginsterbusch lag – und diese Erinnerung wog schwerer. Wenn er diese verrückten Iren fortfahren ließ – oder Grey daran hinderte, sie aufzuhalten, was auf dasselbe hinauslief –, bedeutete dies, die kleine Mairi oder Beathag oder Cairistiona zu verraten und alle, die waren wie sie.
Nun denn , dachte er ruhig. Das ist meine Pflicht. Und ich glaube nicht, dass der Preis zu hoch ist.
Er sollte etwas essen, doch ihm fehlte die Willenskraft, aufzustehen und ins Haus zu gehen. Stattdessen holte er den Rosenkranz aus seiner Tasche, begann aber nicht zu beten, sondern hielt ihn einfach nur in der Hand, um sich damit zu trösten. Er wandte sich auf der Bank um und drehte den schweigenden Toten den Rücken zu, während die Müdigkeit von ihm abließ und sich der lebendige Friede dieses Ortes über ihn legte.
Die kleine Glocke der Kirche läutete die Stunde der None; er sah, wie die Laienbrüder im Garten ihre Werkzeuge niederlegten und sich die Erde von den Sandalen schüttelten, um sich in die Kirche zu begeben.
Und er sah einen Jungen, der vielleicht vierzehn war, eine ordentliche Tonsur auf dem Kopf, so frisch und weiß wie ein Pilz, um die eingestürzte Mauer biegen und sich umsehen. Der Junge entdeckte Jamie, und sein Gesicht leuchtete zufrieden auf.
»Ihr seid gewiss Mr Fraser«, sagte er und streckte ihm ein Stück Papier entgegen. »Mr Quinn hat mich gebeten, Euch das hier zu geben.« Er drückte es Jamie in die Hand und eilte schon wieder auf die Kapelle zu, bevor Jamie ihm danken konnte.
Er wusste, was es war: Quinns Abschied. Er war also fort – und er würde den Kelch benutzen. John Grey würde sich einen anderen Fährmann suchen müssen. Ironisch, wenn man bedachte, dass er gerade beschlossen hatte, wo seine Verpflichtung lag – doch er hatte Quinn versprochen, mit dem Abt zu sprechen, und jetzt würde er die Sache in Gottes Hände legen und hoffen müssen, dass der Allmächtige seine Sicht der Dinge teilte.
Fast hätte er den Brief fortgeworfen, doch aus einem obskuren Impuls der Höflichkeit heraus öffnete er ihn. Er überflog ihn, dann erstarrte er.
Er trug weder einen Adressaten noch eine Unterschrift.
Du bist Deinen Freunden gegenüber stets loyal, und Gott selbst wird Dich am Jüngsten Tag gewiss dafür segnen. Doch ich wäre selbst kein Freund, wenn ich Dir nicht die Wahrheit sagen würde.
Es war der Engländer, der Major Siverly umgebracht hat. Ich habe ihn mit eigenen Augen gesehen, weil ich ihn aus dem Wald hinter dem Sommerhaus beobachtet habe.
Hauptmann Twelvetrees ist ein großer Freund unserer Sache, und nach Major Siverlys Tod liegen die Mittel nun in seiner Hand. Ich flehe Dich an, ihn zu beschützen und ihm nach Möglichkeit zu helfen, wenn Du nach London zurückkehrst.
Mit Gottes Willen werden wir uns dort sehen und gemeinsam mit unseren anderen Freunden Zeuge sein, wie der grüne Zweig zu blühen beginnt.
Er ballte die Note zusammen, ohne zu überlegen. John Grey war aus der Stube des Abtes gekommen. Er blieb stehen, um noch etwas zu Bruder Ambrose zu sagen.
»Freunde!«, sagte Jamie laut. »Gott steh mir bei.« Er verzog das Gesicht, steckte den Rosenkranz wieder ein und riss den Brief in winzige Stücke, die er in den Wind streute.
28
Amplexus
Jamie weigerte sich zuzulassen, dass Grey versuchte, Pferde zu mieten, da die Iren genauso gern tratschten wie die Highlandschotten. Denn wenn man Grey in seiner Uniform sah, würde es die Burg bis zum Mittag des folgenden Tages erfahren.
Also wanderten sie von Lough Ree aus durch die Nacht, zogen sich in der Dämmerung auf die Felder zurück, ruhten sich bei Tag im Wald aus – und Jamie besorgte in Ballybonaggin etwas zu essen –, um sich dann in der Dunkelheit wieder auf die Straße zu begeben, wo sie gut vorankamen, beleuchtet von einem mitfühlenden Mond, der sich riesig, hell und gefleckt wie eine glänzende Alabasterkugel über ihnen erhob.
Die Landschaft war menschenleer – und auch sonst verlassen.
Sie waren jetzt von offenen Feldern in eine waldige Gegend gelangt. Die dunklen Bäume standen dicht gedrängt; ihre Wurzeln ragten aus der Straße hervor, und die Zweige hingen tief, so dass sie durch ein Meer aus Dunkelheit gingen, in dem sie die Straße unter ihren Füßen nicht sehen konnten,
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