Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)
wie ein Schutzschild einhüllte. Mr Bodleys Miene war verkniffen, als der Steward ein frisches Tablett mit Häppchen in der Bibliothek abstellte. Dem Beefsteak waren Kontroversen nicht fremd – wie jedem anderen Club in London auch –, doch das Personal hatte eine Abneigung gegenüber Streitigkeiten, die in beschädigten Möbelstücken resultierten.
Was zum Teufel hat ihn nur dazu getrieben ?, war der Refrain, der Grey gemeinsam mit dem Brandy durch die Schläfen pulste. Damit meinte er nicht Twelvetrees, obwohl er sich auch das zusätzlich fragte; er meinte James Fraser. Er wäre zu gern zu ihm gegangen, um es herauszufinden. Doch er zwang sich, sitzen zu bleiben, bis die Flasche leer war und sich das Gespräch anderen Dingen zugewandt hatte.
Nur bis sie ins Freie kommen , dachte er. Die Neuigkeit würde sich verbreiten wie Tinte auf weißem Leinen – und sie würde auch genauso unmöglich auszumerzen sein. Er stand auf, fragte sich vage, was er Hal erzählen würde, verabschiedete sich von Tarleton und seinen noch verbliebenen Begleitern und schritt – bewusst konzentriert und kerzengerade – die Treppe zu den Schlafzimmern hinauf.
Die Tür zu Frasers Zimmer stand offen, und ein Bediensteter – im Beefsteak gab es keine Zimmermädchen – kniete vor dem Kamin und fegte die Asche heraus. Ansonsten war das Zimmer leer.
»Wo ist Mr Fraser?«, fragte er, mit einer Hand auf den Türrahmen gestützt, und blickte von einer Zimmerecke zur anderen, ob er nicht doch irgendwo unter den Möbelstücken einen großen Schotten übersehen hatte.
»Ausgegangen, Sir«, sagte der Dienstbote, der sich jetzt umständlich erhob und sich respektvoll verneigte. »Hat nicht gesagt, wohin.«
»Danke«, sagte Grey nach einer Pause und ging – schon etwas weniger kerzengerade – in sein eigenes Zimmer, wo er sorgfältig die Tür schloss, sich auf sein Bett legte und einschlief.
ICH HABE IHN einen Mörder genannt .
Das war der Gedanke, mit dem er eine Stunde später erwachte. Ich habe ihn Mörder genannt, er mich Sodomit … und doch ist es Fraser, den er herausgefordert hat. Warum ?
Weil ihn Fraser direkt und vor aller Welt des Hochverrats bezichtigt hatte. Das konnte er nicht auf sich sitzen lassen. Des Mordes bezichtigt zu werden, mochte noch als bloße Beleidigung durchgehen, nicht aber, des Hochverrats bezichtigt zu werden. Vor allem dann nicht, wenn etwas Wahres daran war.
Natürlich. Eigentlich hatte er das gewusst. Was er nicht wusste, war, was in Fraser gefahren war, diese Bezichtigung ausgerechnet jetzt und derart unverhohlen auszusprechen.
Er stand auf, benutzte den Topf, spritzte sich Wasser aus dem Krug ins Gesicht und trank ihn dann weitgehend leer. Es war schon fast Abend; in seinem Zimmer wurde es dunkel, und er konnte die köstlichen Düfte des Essens riechen, das unten zubereitet wurde: gebratene Sardinen, frisches Buttergebäck, Zitronenkuchen, Gurkensandwiches, gekochten Schinken. Er schluckte, denn plötzlich bekam er Heißhunger.
Zwar war er versucht, hinunterzugehen und sofort etwas zu sich zu nehmen, doch es gab Dinge, die er noch dringender brauchte als Essen. Klarheit zum Beispiel.
Er kann es nicht für mich getan haben . Diesem Gedanken haftete ein Hauch von Bedauern an; er wünschte, es wäre so. Doch er war Realist genug, um zu wissen, dass Fraser nicht so weit gegangen wäre, nur um die allgemeine Aufmerksamkeit von Twelvetrees’ Sodomievorwurf abzulenken, ganz gleich, was er selbst im Moment von Grey hielt – und Grey wusste nicht einmal das.
Er begriff, dass er Frasers Motive wohl kaum würde erraten können, ohne den Mann zu fragen. Und er war sich einigermaßen sicher, wohin Fraser gegangen war; es gab ja nicht allzu viele Orte, an die er sich begeben haben konnte.
Gerechtigkeit. Es gab viele verschiedene, gesellschaftlich mehr oder weniger akzeptable, Möglichkeiten, diesen rätselhaften Zustand herzustellen. Gesetz. Kriegsgericht. Duell. Mord.
Er setzte sich auf das Bett und dachte einige Momente lang nach. Dann klingelte er nach Papier und Tinte, schrieb eine kurze Note, faltete sie zusammen und reichte sie – ohne sie zu versiegeln – dem Dienstboten, den er gleichzeitig anwies, wohin sie auszuliefern sei.
Nachdem er seiner Untätigkeit auf diese Weise ein Ende gesetzt hatte, fühlte er sich augenblicklich besser und strich sich das zerknitterte Halstuch glatt, um sich auf die Suche nach gebratenen Sardinen zu begeben.
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Verrat
GENAU WIE GREY GEDACHT HATTE , war Fraser nach
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