Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)
murmelte gereizt vor sich hin, um sich nicht eingestehen zu müssen, dass er gerührt war.
Ehe er es übertreiben konnte, wurde er auf Geräusche im Flur aufmerksam: die Art von Störung, die entsteht, wenn kleine Jungen versuchen, still zu sein, und dabei umso lauter flüstern und tuscheln, während sie sich gegenseitig vor die Wände schubsen.
»Kommt herein«, rief er, und die Tür öffnete sich. Ein kleiner Kopf lugte vorsichtig um die Ecke.
»Hallo, Ben. Was gibt es denn?«
Benjamins besorgtes Gesicht leuchtete augenblicklich vor Entzücken auf.
»Alles gut, Onkel John? Mama sagt, wenn das Schwert …«
»Ich weiß, dann wäre ich tot. Aber ich bin nicht tot, oder?«
Ben blinzelte ihn skeptisch an, beschloss aber, diese Frage wörtlich zu nehmen. Er machte kehrt, rannte zur Tür und zischte etwas in den Flur. Dann kam er zurückgesaust, gefolgt von seinen jüngeren Brüdern Adam und Henry. Sie hüpften alle drei auf das Bett, wobei Benjamin und Adam den kleinen Henry – der ja erst fünf war und es nicht besser wusste – daran hinderten, sich auf Greys Schoß zu setzen.
»Können wir die Stelle sehen, wo dich das Schwert getroffen hat, Onkel John?«
»Ich denke schon.« Die Wunde war zwar verbunden, doch der Arzt würde ohnehin gleich kommen, um den Verband zu wechseln, also würde es wohl nicht schaden, ihn zu lösen, dachte er. Mit einer Hand knöpfte er sich das Nachthemd auf und löste den Verband mit großer Vorsicht. Die ehrfürchtige Bewunderung seiner Neffen war ein mehr als adäquater Lohn für die Unannehmlichkeiten, die das mit sich brachte.
Nach dem ersten allgemeinen »Ooh!« beugte sich Ben vor, um sich die Stelle genauer zu betrachten. Es war eine ziemlich eindrucksvolle Wunde, wie auch Grey zugab, als er den Blick darauf senkte. Der Arzt, der ihn versorgt hatte – er wusste nicht, welcher der drei es gewesen war, weil er nicht bei Bewusstsein gewesen war –, hatte den ursprünglichen Schnitt verlängert, um die Fragmente seines Brustbeins zu entfernen, die durch Twelvetrees’ Säbelhieb abgesplittert waren, und die Fasern seines Hemdes, die in die Wunde gerammt worden waren. Der Ergebnis war eine fünfzehn Zentimeter lange klaffende Wunde, die sich oben über seine linke Brustseite zog, ein gemeines Dunkelrot, das von groben schwarzen Fäden durchkreuzt wurde.
»Tut das weh?«, fragte Ben ernst.
»Nicht sehr«, sagte Grey. »Das Jucken an meinem Bein ist schlimmer.«
»Lass sehen!« Henry begann, an der Bettdecke zu ziehen. Die folgende Rauferei zwischen den drei Brüdern hätte Grey fast aus dem Bett geworfen, doch es gelang ihm, seine Stimme so weit zu erheben, dass die Ordnung wiederhergestellt wurde, woraufhin er die Decke zurückschlug und sein Nachthemd hob, um den Jungen den Schnitt an seinem Oberschenkel zu zeigen.
Es war eine oberflächliche Verletzung, auch wenn sie beeindruckend lang war. Sie schmerzte zwar noch ein wenig, doch er hatte nicht gelogen, als er sagte, dass der Juckreiz schlimmer war. Dr. Maguire hatte einen Umschlag aus Magnesiumsulfat, Seife und Zucker empfohlen, um die Gifte aus der Wunde zu ziehen. Dr. Latham, der eine Stunde später eintraf, hatte den Umschlag wieder entfernt und gesagt, dies sei alles großer Unsinn, und Luft würde helfen, die Naht auszutrocknen.
Grey hatte während beider Visiten bewegungslos dagelegen, weil seine Kraft nur noch gereicht hatte, um dankbar zu sein, dass Doktor Hunter nicht auch noch gekommen war, um seine Meinung kundzutun. Der hätte wahrscheinlich seine Säge gezückt und sich mit dem Bein davongemacht, womit die Diskussion beendet gewesen wäre. Nach seiner erneuten Begegnung mit dem Arzt konnte er Tobias Quinn und seinen Horror davor, nach dem Tod seziert zu werden, deutlich besser verstehen.
»Du hast aber einen großen Schniedel, Onkel John«, stellte Adam fest.
»Das Übliche für einen Erwachsenen, glaube ich. Obwohl ich meinen möchte, dass er seinen Dienst bis jetzt zur allgemeinen Zufriedenheit erfüllt hat.«
Die drei Jungen kicherten, obwohl Grey davon ausging, dass nur Benjamin eine Vorstellung davon hatte, warum, und er fragte sich neugierig, wo Bens Tutor wohl mit ihm gewesen sein mochte. Adam und Henry waren zu jung, um aus dem Haus zu gehen, und verbrachten ihre Tage noch mit ihrem Kindermädchen. Doch für Ben hatte man einen jungen Mann namens Whibley engagiert, der ihm eigentlich die Grundlagen der lateinischen Sprache beibringen sollte. Minnie sagte zwar, dass Whibley sehr viel mehr Zeit
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