Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)
Kensington Road hinweg, duckte sich unter der Nase eines herannahenden Pferdes hindurch und betrat unter den Flüchen des Reiters die offenen Gärten des Hyde Parks, wo er herzklopfend stehen blieb, um sich umzusehen.
Auf den ersten Blick war Fraser nicht zu sehen. Nach den heftigen Regengüssen des gestrigen Tages war der heutige Tag sanft und klar heraufgedämmert, mit jener Art von blassem, leuchtendem Himmel, der einen wünschen ließ, ein Vogel zu sein. Dementsprechend befanden sich zahlreiche Menschen im Park; Familien, die sich zum Essen unter den Bäumen niedergelassen hatten, Liebespaare, die über die Wege schlenderten, und Taschendiebe, die sich am Rand der Menschenansammlungen am Speaker’s Corner und vor dem Puppentheater herumdrückten und auf unbewachte Geldbörsen hofften.
Sollte er zurückgehen und fragen, welcher Dienstbote Fraser gefolgt war und wo man ihn zuletzt gesehen hatte? Nein, beschloss er und schritt entschlossen in den Park. Er würde Harry oder Hal keine Gelegenheit geben, sich einzumischen; sie hatten schon genug Ärger verursacht.
Angesichts von Frasers Körpergröße und Erscheinung zweifelte Grey nicht daran, dass er ihn in jeder Menschenmenge ausfindig machen konnte. Möglich, dass er vorhin unter einem Baum gesessen hatte, doch jetzt tat er das nicht mehr. Wohin würde er gehen, fragte er sich, wenn er Fraser wäre? Wenn er mehrere Jahre auf einem Gestüt im Lake District gelebt hätte und zuvor in einem abgelegenen schottischen Kerker?
Genau. Er wandte sich spontan dem Puppentheater zu, und als es in Sicht kam, wurde er mit dem Anblick eines hochgewachsenen, rothaarigen Mannes belohnt, der hinten in der Menge stand, problemlos über das Meer der Köpfe hinwegsehen konnte und sich eindeutig auf die Darbietung konzentrierte.
Er wollte Fraser nicht von diesem Amüsement fortreißen, also blieb er in einigem Abstand stehen. Vielleicht würde ja das Puppenstück die Laune des Schotten verbessern – doch angesichts des Gekreischs, das sich erhob, als Judy ihren Punch kurz und klein schlug, kam ihm der Verdacht, dass der Bühnenstoff vielleicht doch nicht den beruhigenden Effekt haben würde, auf den er hoffte. Er persönlich hätte eine beträchtliche Summe dafür bezahlt zu sehen, wie Fraser Hal kurz und klein schlug, auch wenn es Komplikationen nach sich ziehen würde.
Er hielt ein Auge auf Fraser gerichtet, das andere auf das Stück. Der Puppenspieler, ein Ire, war sowohl geschickt im Umgang mit seinen Puppen als auch erfinderisch, was seine Schimpfworte anging, und Freude blitzte unerwartet in Grey auf, als er Fraser lächeln sah.
Er lehnte sich in der Nähe an einen Baum und genoss das Gefühl der vorübergehenden Unsichtbarkeit. Er hatte sich gefragt, wie er sich wohl fühlen würde, wenn er Jamie Fraser leibhaftig wiedersah, und er stellte mit Erleichterung fest, dass der Vorfall im Stall von Helwater jetzt lange genug her zu sein schien, um ihn zumindest beiseitezuschieben. Vergessen ließ er sich zwar unglücklicherweise nicht, doch er beherrschte auch nicht mehr jeden Gedanken.
Fraser beugte jetzt den Kopf zur Seite, um auf etwas zu lauschen, was ein schmaler Mann mit einem Lockenkopf neben ihm sagte, doch er wandte den Blick nicht von der Bühne ab. Die Locken des Fremden erinnerten ihn kurz an Percy, aber Percy gehörte ebenfalls der Vergangenheit an, und er schob den Gedanken entschlossen von sich.
Eigentlich hatte er sich keine Gedanken darüber gemacht, was er sagen würde oder wie er das Gespräch beginnen würde, doch als das Stück endete, richtete er sich automatisch auf und setzte sich schnellen Schrittes in Bewegung, um Fraser den Weg abzuschneiden.
Er hatte keine Ahnung, was ihn dazu bewog, dem Schotten den ersten Schritt zu überlassen, doch es kam ihm selbstverständlich vor, und dann hörte er Fraser hinter sich prusten, ein leises Geräusch, das ihm bestens vertraut war; es drückte etwas zwischen Herablassung und Belustigung aus.
»Guten Tag, Oberst«, sagte Fraser in resigniertem Tonfall und schwenkte an Greys Seite ein.
»Guten Tag, Hauptmann Fraser«, erwiderte er höflich und spürte den verblüfften Blick, den ihm Fraser zuwarf, mehr als dass er ihn sah. »Hat Euch die Vorstellung gefallen?«
»Ich dachte, ich prüfe einmal, wie lang meine Kette ist«, sagte Fraser, ohne auf die Frage einzugehen. »In Sichtweite des Hauses also, wie?«
»Vorerst«, sagte Grey aufrichtig. »Aber ich bin nicht hier, um Euch zurückzuholen. Ich habe eine
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