Die Fäden des Schicksals
Schulter zurück. »Wir feiern Evelyns Genesung. Oh, das hätte ich beinahe vergessen! Sag Charlie, ich brauche auch noch eine halbe Kiste von seinem besten Champagner. Er kann alles auf meine Rechnung setzen. Bis heute Abend, Franklin. Komm nicht zu spät!«
33
Evelyn Dixon
Es war um sieben Uhr abends an einem regnerischen Mittwoch gegen Ende des Winters, zu der Zeit, da die Weihnachtseinkäufer schon fort und die Touristen noch nicht da waren. Wie alle anderen Geschäfte der Stadt war auch mein Laden schon dunkel und die Tür abgeschlossen.
Rob hatte seine Schlüssel und sein Handy im Laden liegen lassen. Ich war müde und wollte zu Margot nach Hause, daher sagte ich Rob, er könne mich dort absetzen und dann meinen Schlüssel nehmen, aber er wollte unbedingt noch sein Telefon holen, bevor wir zu Margot fuhren. Das war albern, aber ich hatte einen lausigen Tag hinter mir und wollte mich nicht streiten.
Während ich im Halbdunkel in meiner Handtasche nach dem Ladenschlüssel kramte, trat ich auf einen losen Pflasterstein und wäre beinahe hingefallen, doch Rob streckte rasch die Hand aus und stützte mich.
»Vorsicht!«
»Danke«, murmelte ich und zog meinen Arm weg. Nach unserem Gespräch auf dem Weg von der Arztpraxis zum Laden war mir seine Berührung unangenehm.
Ich hatte weder gewollt noch darum gebeten, dass Rob nach New Bern kam, doch ich musste zugeben, dass er mir eine große Hilfe war: Er bestückte die Regale, stellte neue Vitrinen auf, reparierte Geräte und erledigte Besorgungen. Heute hatte er mich beispielsweise zu meinem Arzttermin gefahren. Doch er war schon seit Wochen hier, und es wurde Zeit, dass er wieder nach Hause fuhr.
Da es mir bedeutend besser ging, wollte ich vom nächsten Morgen an wieder halbtags und dann immer ein wenig länger im Laden arbeiten, bis ich endlich wieder voll einsatzfähig war. Ich wollte mich unbedingt wieder an die Arbeit machen und in meine Wohnung zurückkehren. Treppen waren jetzt kein Problem mehr für mich, und ich hätte schon vor einer Woche bei Margot ausziehen können, aber Rob war ja immer noch da. Er hatte sich zwar Urlaub genommen, aber musste er nicht allmählich wieder arbeiten? Und was war mit Tina? Wunderte sie sich nicht darüber, dass er so lange bei seiner Exfrau in New Bern blieb?
Es war eine merkwürdige Situation. Ich wollte schon Garrett bitten, Rob zu fragen, wie lange er noch bleiben wollte, doch dann beschloss ich, meinen Sohn nicht mit hineinzuziehen. Ich musste selbst mit Rob reden.
Auf dem Rückweg von Dr. Finneys Praxis brachte ich die Angelegenheit schließlich zur Sprache. Es war kein leichtes Gespräch. Kaum hatte ich angedeutet, dass es Zeit für ihn wäre, nach Hause zu fahren, begann Rob zu weinen! Ich war völlig entgeistert. Mein großer, starker Ex-Ehemann, dieser ehemalige Footballspieler und Möchtegerncowboy, weinte so heftig, dass er rechts ranfahren musste, um mir unter Schluchzen die ganze Geschichte zu erzählen.
Es stellte sich heraus, dass Tina, kurz nachdem ich Rob von meiner Erkrankung berichtet hatte, ausgezogen war. Sie teilte Rob mit, sie habe sich in einem jüngeren Mann verliebt, mit dem sie mehr »Spaß« hätte. In der Woche darauf verlor Rob seine Stelle.
Vor einigen Monaten hätte ich angesichts von Robs Kummer und Missgeschick noch einen Freudentanz aufgeführt, aber jetzt war mir nicht mehr danach. Mir war weder an Rache noch an Schuldzuweisungen gelegen. Mary Dell hatte mich daran erinnert, dass jede Tragödie auch etwas Gutes in sich barg. In meinem Fall war das die neu gewonnene Fähigkeit, die Vergangenheit mitsamt den bitteren Gefühlen Rob gegenüber loszulassen. Das Leben war einfach zu kurz, um alten Groll zu hegen. Zwar liebte ich Rob nicht mehr, doch ich hasste ihn auch nicht.
Da standen wir nun also am Straßenrand, während der Motor lief und die Scheibenwischer auf höchster Stufe liefen, und Rob erzählte mir, wie miserabel es ihm ging. Er hatte einen neuen Job gefunden und sollte am Ersten des kommenden Monats anfangen. Doch es handelte sich um eine Branche, von der er nicht viel Ahnung hatte. »Ich kann immer noch nicht fassen, wie sie mich nach all den Jahren entlassen konnten. Ich habe mein Herzblut für die Firma gegeben!«
Das konnte ich bezeugen, aber was half das jetzt? »Hast du Geldsorgen?«
»Nein. Das Gehalt ist gut, sogar noch ein bisschen höher als früher. Darum geht es nicht.«
»Worum geht es dann?«
Er dachte einen Augenblick nach. »Ich habe Angst, Evie. Zum
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