Die Fäden des Schicksals
vorstellte. »Blau ist die richtige Farbe für dich. Sie passt zu deinen Augen.« Das stimmte auch, aber ich hätte, offen gestanden, dasselbe gesagt, wenn Liza in leuchtendem Rot, Orange, Mint oder Altrosa – allem außer Schwarz – hereinspaziert wäre.
»Die Kette ist auch hübsch. Wo hast du sie her?«
»Selbst gemacht.«
»Tatsächlich? Wirklich sehr schön.«
»Danke. Der Dame, der die Boutique gehört, gefiel sie auch. Sie hat gesagt, wenn ich noch mehr davon anfertigen könnte, würde sie sie in ihrem Geschäft verkaufen.«
Das war eine interessante Idee, dachte ich. Beim Modeschmuckdesign konnte Liza ihre Talente gut einsetzen. Fürs Erste war es in Ordnung, dass sie im Quiltladen arbeitete, doch Liza musste ihren Horizont erweitern. Und wenn ich sie ein wenig ermunterte, sie finanziell unterstützte und den richtigen Leuten vorstellte, führten die Schmuckabteilungen von Barney’s in Manhatten, Neiman-Marcus in Dallas und Harrod’s in London vielleicht bald eine Liza-Burgess-Kollektion – ein weltweites Schmuckimperium! Und die Zentrale wäre hier, in diesem Haus in New Bern, wo Liza mit mir zusammen lebte. Falls Liza jedoch heiraten und eine Familie gründen wollte, was über kurz oder lang durchaus der Fall sein konnte – mir war aufgefallen, wie Garrett Dixon sie in letzter Zeit ansah –, dann konnten Liza und Garrett mitsamt ihren Kindern (Mädchen, entschied ich, am besten zwei) ganz in der Nähe auf der Proctor Street wohnen. Die Hudsons meckerten schon seit Jahren über den Winter in Connecticut und schworen dann immer, noch im laufenden Jahr ihr Haus zu verkaufen und nach Florida zu ziehen. Ich fragte mich, ob es ihnen ernst damit war. Ihr Haus wäre genau das Richtige. Es besaß einen großen Garten, der sich hervorragend für Kinder eignete, doch die Küche musste dringend modernisiert werden. Außerdem mussten wir ein Büro für Liza einrichten, damit sie ihr Geschäft von zu Hause aus führen und dennoch Zeit mit ihren Kindern verbringen konnte. Vielleicht sollten wir auch gleich ein Apartment für ein Kindermädchen oder eine Haushälterin mit einplanen. Wenn die Geschäfte erst richtig liefen, würde Liza Hilfe im Haushalt brauchen. Hmmm. Vielleicht sollte ich einen Architekten engagieren. Nein, dachte ich, am besten, ich wandte mich einfach an Dominic D’Rosa, den Bauunternehmer, der vor drei Jahren meine Schlafzimmer-Suite umgebaut hatte. Er leistete gute Arbeit und würde genau verstehen, wie ich es haben wollte. Ja! Das wäre goldrichtig! Nach der Anhörung wollte ich Franklin bitten, bei den Hudsons anzufragen, ob sie wirklich vorhatten zu verkaufen. Mir gegenüber würden sie hinsichtlich des Preises sicher auf stur schalten, aber was machte das schon? Was zählte Geld im Vergleich zur Familie? Hauptsache, Liza war glücklich.
»Abigail?«
Ich erwachte aus meiner Träumerei und sah, dass Liza mich prüfend anblickte.
»Alles in Ordnung?«
»Oh ja, ich habe nur nachgedacht.« Ich nahm die Kamelhaarjacke vom Bügel. »Bist du fertig?«
»Ja«, antwortete sie gedehnt und machte schmale Augen. »Worüber hast du nachgedacht?«
»Nichts Besonderes. Ich erzähle es dir später.« Lächelnd tätschelte ich ihren Arm. »Gehen wir.«
* * *
Harry Gulden war erfreut. – Liza, Franklin, Mr Corey und ich – dasselbe Grüppchen, das sich vor einem Jahr im Richterzimmer eingefunden hatte, sah jetzt schweigend zu, wie Richter Gulden in Lizas Akte blätterte. Dabei spähte er durch die Lesebrille, die auf seiner Nasenspitze saß, und nickte beifällig.
»Gut«, murmelte er. »Sehr gut. Keine Festnahme, noch nicht einmal ein Strafmandat wegen Falschparkens. Hier steht, dass Sie in der Kirchengemeinde an einer Selbsthilfegruppe für Hinterbliebene teilgenommen haben. Hat es Ihnen geholfen?«
»Ja, Euer Ehren, sehr.«
»Das freut mich zu hören. Und Sie arbeiten noch immer halbtags im Quiltladen?« Liza nickte. »Nun ja, die Inhaberin, Ms Dixon, hat Ihnen ein hervorragendes Zeugnis ausgestellt. Sie sagt, Sie seien sehr fleißig und hätten sich im vergangenen Jahr beträchtlich weiterentwickelt. Wenn ich Ihre Akte so sehe, muss ich ihr recht geben. Gut für Sie, Liza.«
Liza errötete leicht. »Danke, Euer Ehren.«
Der Richter räusperte sich, sammelte die einzelnen Blätter ein und ordnete sie, indem er die Kante des Stapels leicht auf den Schreibtisch stieß.
»Mr Corey«, wandte er sich dann mit einem Blick über seine Brille an den jungen Vertreter der Staatsanwaltschaft.
Weitere Kostenlose Bücher