Die Fäden des Schicksals
lassen. »Nein, Abigail, das lasse ich nicht zu. Wenn ich für mein Geschäft Räumlichkeiten anmiete, die dir gehören, dann bezahle ich dafür auch eine anständige Miete. Wie jeder andere auch.«
»Mein Gott, bist du stur! Du willst mir unbedingt etwas bezahlen? Also schön, machen wir es aber auf die altmodische Art und Weise und schließen einen Tauschhandel ab. Du kannst deine Miete in Waren und Dienstleistungen statt in Geld begleichen.«
»Ich verstehe nicht. Was könntest du denn schon von mir haben wollen?«
»Deine Zeit. Ich möchte, dass du alle zwei Wochen ins Frauenhaus gehst und die Bewohnerinnen unentgeltlich im Quilten unterrichtest.«
»Jede Woche«, gab ich zurück.
Mit einem knappen Nicken gab Abigail ihre Zustimmung und erwiderte: »Und die Wynne-Stiftung kommt für alle Stoffe und sonstiges Kursmaterial auf.«
»Das der Cobbled Court zum Selbstkostenpreis zur Verfügung stellt.«
Abigail blickte mich mürrisch an. Für eine Frau, die vorgab, keinen Geschäftssinn zu besitzen, war sie eine hartnäckige Verhandlungspartnerin. Aber das war ich auch. Und ich würde keinen Schritt weichen.
»Das ist mein Ernst, Abigail. Wenn ich das Material nicht zum Einkaufspreis liefern darf, lasse ich es ganz sein. Abgemacht?«
Sie zögerte einen Augenblick, doch angesichts meiner Entschlossenheit ergriff sie seufzend meine ausgestreckte Hand. »Abgemacht.«
34
Abigail Burgess Wynne
Ich hatte meinen Schirm zu Hause vergessen. Glücklicherweise war der Platzregen vom frühen Abend mittlerweile in ein stetiges Nieseln übergegangen.
Obgleich ich ihm versicherte, dass ich auf dem kurzen Weg vom Quiltladen zu meinem Haus vermutlich weder verloren gehen noch belästigt werden würde, bestand Franklin darauf, mich zu begleiten. Er war in Redelaune.
»Es war eine nette Party, und Evelyn sah gut aus«, sagte er. »Es ist so schön, dass sie keine Chemotherapie braucht.«
»Ja«, antwortete ich und schlug den Kragen meiner Jacke hoch.
»Und wenn Garretts Ideen für die Erweiterung des Geschäfts sich verwirklichen lassen, könnte es für New Bern einen Aufschwung bedeuten und neue Arbeitsplätze schaffen. Er ist ein sehr intelligenter junger Mann. Mit Evelyns Kreativität und Quiltkenntnissen, Garretts Einfallsreichtum und seinen Fähigkeiten im Onlinehandel und Margots Marketingerfahrung könnte es durchaus klappen. Es ist schon erstaunlich, wie hier die richtigen Leute zur rechten Zeit am rechten Ort waren.« Franklin hüstelte und blickte mich unter der Krempe seines grauen Filzhutes hervor an. »Natürlich ist es hilfreich, dass sie eine gute Fee haben, die sich für Immobilien interessiert, meinst du nicht auch?«
»Hm? Oh, ja. Es ist wirklich ein erstaunlicher Zufall.«
»Das war kein Zufall. Manche Dinge müssen eben geschehen.«
Darauf erwiderte ich nichts.
»Was hast du, Abigail? Machst du dir immer noch Sorgen um Evelyn?«
Ich biss mir auf die Lippe und dachte, wie selbstsüchtig ich mich anhören musste, doch ich konnte es einfach nicht länger für mich behalten, sondern musste mit jemandem darüber reden. Also blieb ich stehen und wandte mich zu Franklin um.
»Es geht um Liza«, gestand ich ihm. »Ich weiß ja, es ist gut, dass sie wieder zur Schule geht, und ich möchte auch, dass sie glücklich wird. Aber der Gedanke daran, mein einsames früheres Leben wieder aufzunehmen, ist mir unerträglich. Ich mag gar nicht daran denken, wie sehr sie mir fehlen wird. Was soll ich nur tun?«
Franklin schwieg lange, und als er schließlich sprach, klang seine Stimme merkwürdig sanft und verhalten.
»Ja, also, zu diesem Thema hätte ich ein paar Vorschläge«, sagte er, ohne den Blick vom Straßenpflaster zu heben. Nach einem Räuspern fuhr er fort: »Es ist doch so, Abbie, dass wir beide seit Langem … nun ja, Freunde sind. So habe ich es zumindest immer gesehen …«
Ich nickte. »Bis zum letzten Jahr hatte ich wohl keinen Freund außer dir, Franklin. Aber du warst und bist noch immer mein bester Freund. Ich habe es bloß bis vor Kurzem nicht gewusst.«
»Das freut mich zu hören, denn ich empfinde es ebenso. Wie du weißt, habe ich im Laufe der Zeit miterlebt, wie zahlreiche erfolgreiche Geschäftspartnerschaften entstanden sind und andere, weniger erfolgreiche, sich wieder auflösten. Und meiner Ansicht nach sind die besten und dauerhaftesten Partnerschaften auf gegenseitige Wertschätzung und Respekt gegründet.«
Er blickte mich an, als erwarte er eine Antwort, doch ich wusste nicht
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