Die Fäden des Schicksals
selbst und anderen gegenüber eingestanden. Um mich zu beruhigen, atmete ich tief durch.
»Es ist schon gut. Ich wollte, dass ihr es alle wisst. Natürlich hätte ich es gern gesehen, wenn der Laden ein Erfolg gewesen wäre. Und das war er ja auch, außer in finanzieller Hinsicht.
In ein paar Monaten werden die Räume hier verlassen sein, und nachdem sich hier schon zwei Geschäfte nicht halten konnten, wird dieses unmögliche, wunderbare Haus in seiner schönen, aber ungünstigen Lage wohl für immer leer stehen. Bald werden die Ecken voller Spinnweben hängen, die Wasserrohre undicht werden, und die Farbe auf den Fensterbänken wird abplatzen. Vielleicht wird man das Haus abreißen, um Raum für etwas Neues, Praktisches zu schaffen – ein Parkhaus oder ein Bürogebäude. Das wäre schade, aber selbst wenn das geschieht, werden wir und alle, die jemals über diese Schwelle getreten sind, uns daran erinnern, dass hier zumindest für kurze Zeit eine kleine Gemeinschaft von Menschen etwas Schlichtes, Unverfälschtes gefunden hat, das ihr Leben ein wenig freudvoller machte.« Ich blinzelte die Tränen fort, denn ich wollte es hinter mich bringen und mit meiner Rede fertig werden.
»Wenn man es sich recht überlegt, ist das gar keine so schlechte Leistung, jedenfalls mehr, als die meisten Leute in ihrem ganzen Leben zustande bringen. Und ihr alle habt dazu beigetragen. Selbst wenn ich wüsste, wie es am Ende ausgeht, würde ich es sofort wieder tun. Aber nur mit euch allen an meiner Seite.«
Jetzt konnte ich die Tränen nicht länger zurückhalten, und die anderen weinten mit mir, alle bis auf Abigail und Garrett, der den Arm tröstend um die schniefende Liza gelegt hatte.
»Das ist gemein!«, sagte Liza. »Du musstest mit so vielem fertig werden und hast so hart gearbeitet. Wie wir alle. Es ist ja nicht so, dass die Leute den Laden nicht mögen. Gestern habe ich einer Dame Stoff für einen Quilt verkauft, den sie ihrer Tochter zur Hochzeit nähen wollte. Sie war ganz aufgeregt und sagte, sie würde sich das nie zutrauen, wenn sie nicht einen Kurs bei dir gemacht hätte. Deine Kundinnen lieben Cobbled Court Quilts – und dich auch.«
Margot zog ein Papiertaschentuch aus ihrer Rocktasche und putzte sich die Nase. »Und auch finanziell geht es bergauf. Jeden Monat läuft es ein bisschen besser, und unser Kundenstamm wächst. Wenn uns noch ein, höchstens zwei Jahre blieben, hätten wir es wahrscheinlich geschafft. Liza hat recht, es ist wirklich gemein.«
Ich tätschelte Margots Arm. »Ich weiß. Nach dem QuiltPink-Tag dachte ich, wir könnten bis zur Touristensaison durchhalten. Wer weiß, wenn ich nicht krank geworden wäre und den Winter über mehr Kurse hätte geben können, wären wir vielleicht knapp über die Runden gekommen. Aber es hat eben nicht sein sollen, und daran trägt niemand die Schuld. Es gibt Dinge, die stehen nicht in unserer Macht.«
Da meldete sich Abigail, die ungerührt und mit gerunzelter Stirn zugehört hatte, zu Wort: »Glaubst du das wirklich?«
»Was? Dass wir auf manche Dinge keinen Einfluss haben? Natürlich.«
»Ich nicht«, erwiderte sie nur. »Ich meine, selbstverständlich hast du keinen Einfluss auf Dinge wie zum Beispiel Überschwemmungen, Feuersbrünste, Hungersnöte oder Brustkrebs. Aber das hier ist doch etwas anderes. Wenn du jetzt zumachst, kommt es einer Kapitulation gleich.«
Margot reagierte schockiert auf diese Behauptung, und Liza wirkte gekränkt – und ich? Ein wenig von beidem.
»Abigail!«, entgegnete ich. »Wie kannst du nur so etwas sagen? Nach allem, was wir unternommen haben! Was Werbeaktionen angeht, haben wir doch nichts unversucht gelassen! Wir haben geschuftet wie die Verrückten, um mehr Kunden zu gewinnen.«
»Ich weiß, und es hat ja auch etwas gebracht«, erwiderte Abigail. »Das hat Margot eben selbst gesagt. Und deswegen verstehe ich einfach nicht, wieso du jetzt das Handtuch werfen willst.«
»Weil mir Geld, Zeit und Ideen ausgegangen sind – darum!«
Abigail verzog unwillig das Gesicht. »Unfug! Lächerlich! Geld gehört zu den wenigen Annehmlichkeiten, die praktisch in unbegrenztem Maße zur Verfügung stehen. Vielleicht hat man nicht immer welches, aber man kann sich jederzeit welches beschaffen. Geld ist kein Problem, die Zeitfrage dagegen ist schon schwieriger. Ich gebe zu, dass wir nicht immer darüber bestimmen können, wie viel Zeit uns gegeben ist, aber jetzt, da du deine Operation überstanden hast, kannst du getrost davon
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