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Die Fäden des Schicksals

Die Fäden des Schicksals

Titel: Die Fäden des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Bostwick
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nicht, dass er es konnte.
    »Ein unsittlicher Antrag wäre das Letzte, was in meiner Absicht lag. Das versichere ich dir!«
    Ich hätte über seine Worte erleichtert sein sollen, und in gewisser Weise war ich das auch. Zugleich war ich aber auch ein wenig gekränkt. Doch darum konnte ich mich jetzt nicht kümmern. Was wollte er denn nun? Es war dunkel und kalt, und ich hatte nasse Füße. Da war mir nicht zum Rätselraten zumute.
    »Franklin, was versuchst du mir zu sagen? Rede einmal im Leben nicht wie ein Anwalt, sondern wie ein ganz normaler Mensch.«
    »Gut, Abbie, mache ich. Ich … ich mag dich sehr. Genau genommen liebe ich dich. Schon seit Jahren. Und nun möchte ich wissen, ob …« Abermals räusperte er sich. »Möchtest du mit mir zusammen sein?«
    Da stand er nun, nass, durchgefroren – ein Bild des Jammers. Noch nie zuvor hatte er mir so gut gefallen. Ich hörte eine Stimme, die ich erstaunt als die meine erkannte, sagen: »Ja, Franklin, ich glaube schon.«
    Er lachte laut und kam mit ausgestreckten Armen auf mich zu. Doch dann besann er sich auf seine guten Manieren und trat wieder einen Schritt zurück.
    »Wäre es wohl in Ordnung, wenn ich dich küssen würde?«
    Ich runzelte die Stirn. »Wie lange, glaubst du, bist du schon in mich verliebt, Franklin?«
    »Schon von Anfang an, schätze ich.«
    »Willst du damit sagen, dass du mich seit dreißig Jahren liebst und es dir erst jetzt einfällt zu fragen, ob du mich küssen darfst?«, fragte ich ungläubig.
    »Oh, eingefallen ist es mir schon. Oft sogar. Ich habe nur noch nie den Mut aufgebracht, es dir zu sagen. Ich hatte Angst, du würdest mir eine knallen oder etwas Derartiges.« In Franklins Augenwinkeln bildeten sich winzige Lachfältchen, und der Anflug eines Lächelns umspielte seine Lippen.
    »Pff! Das kann dir immer noch passieren. Wahrscheinlich würde es dir sogar recht geschehen. Aber dann traust du dich wieder dreißig Jahre lang nicht, und dann wären wir – wie alt? Warte mal …«
    »Halt den Mund, Abigail«, sagte er und breitete die Arme aus.
    Schweigend ließ ich mich von ihm umarmen und hielt ihm meinen Mund entgegen, während noch immer der Regen fiel und große, dicke Tropfen in unablässigem Stakkato auf Franklins Hutkrempe klatschten wie aufbrandender Beifall.

35
    Evelyn Dixon
    Am nächsten Morgen nieselte es noch immer, doch trotz des bewölkten Himmels war mir beim Aufwachen besser zumute als seit Langem. Im Badezimmer pfiff ich sogar vor mich hin, während ich den Heißwasserhahn aufdrehte – bei den alten Rohrleitungen dauerte es eine Weile, bis das Wasser im zweiten Stock sich erwärmt hatte. Bis dahin konnte ich mir noch die Zähne putzen.
    Ich drückte den letzten Rest Zahnpasta aus der Tube und dachte dabei an den vergangenen Abend.
    Wer hätte das gedacht? Noch vor wenigen Wochen war ich so niedergeschlagen und deprimiert, dass ich es nicht einmal schaffte, aus dem Bett aufzustehen, und nun stand ich hier, pfeifend, vom Krebs befreit und im Begriff, mein Geschäft zu erweitern, das noch vor ein paar Stunden am Rande der Pleite stand. Jetzt sah es so aus, als könnte Cobbled Court Quilts doch noch zu dem werden, was ich mir immer erträumt hatte – nicht nur ein erfolgreicher Quiltladen, sondern eine Bereicherung des Gemeindelebens und zugleich eine Gemeinschaft für sich, in der sich Quilterinnen jeden Alters und jeder Herkunft zusammenfanden, um Geselligkeit zu pflegen, sich künstlerisch zu betätigen und sogar Heilung zu finden.
    Ich grinste breit, während ich mir die Zähne schrubbte. Abigail hätte mir gar nicht anzubieten brauchen, dass ich anstelle der Miete Kurse im Frauenhaus geben könnte; ich hätte es auch bereitwillig ohne jede Gegenleistung getan. Aber das wusste sie auch. Sie wollte mir mit ihrem Vorschlag nur helfen, das Gesicht zu wahren, und gleichzeitig den Frauen im Frauenhaus, an denen ihr offenbar wirklich gelegen war, einen Gefallen tun. Auch ich war sicher, dass es ihnen guttun würde. So wie es bei Abigail, Margot und Liza gewesen war. Die Quiltanfängerinnen aus dem Frauenhaus, unter ihnen viele misshandelte und erniedrigte Frauen, die immer wieder zu hören bekommen hatten, dass sie nichts wert waren, würden Selbstvertrauen entwickeln und ihre Kreativität entdecken, während sie gemeinsam etwas erstaunlich Schönes schufen – aus kleinen Stoffrestchen, die jedem außer einer Quilterin nutzlos erschienen.
    Ja, das war es!, dachte ich, als ich den weißen Schaum ins Waschbecken spuckte

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