Die Fäden des Schicksals
recht, was ich darauf sagen sollte.
»Ja, da hast du wahrscheinlich recht«, erwiderte ich schließlich.
Er lächelte breit, offensichtlich zufrieden, dass ich seine Meinung teilte, worin auch immer diese Meinung bestand. »Gut! Sehr richtig! Und deshalb war ich immer davon überzeugt, dass du und ich … nun ja … Wir empfinden Respekt und Wertschätzung füreinander, und ich muss sagen, in letzter Zeit bist du in meiner Hochachtung noch erheblich gestiegen.« Behutsam ergriff er den Rand meines Ärmels mit Daumen und Zeigefinger und hielt ihn fest – wie ein sanfter Apportierhund, der seine Beute vorsichtig und ohne eine Spur zu hinterlassen nach Hause tragen will.
»Ich habe dich immer … bewundert, aber du hast ja nie jemanden an dich herangelassen. Das ist anders geworden. Durch den Umgang mit Liza und deinen Freundinnen Margot und Evelyn hast du dich zu deinem Vorteil verändert.
Heute Abend zum Beispiel, als du zu Evelyn sagtest, sie könne den Laden und das Lagerhaus praktisch mietfrei benutzen – und du dann obendrein noch einen Ausweg gefunden hast, durch den Evelyns Stolz nicht verletzt und gleichzeitig den Frauen im Frauenhaus geholfen wird …« Er lachte. »Ich habe dich immer bewundert, Abbie, doch noch nie so sehr wie heute Abend. Du warst immer schnell bereit, dein Scheckbuch zu zücken, allerdings nur, um deinen guten Ruf in der Öffentlichkeit zu wahren und dir menschliches Leiden so weit wie möglich vom Hals zu halten. Doch nun gibt es kein Wenn und Aber und keine Hintergedanken mehr. Du bist einfach nur großzügig. Außerdem zeigst du deine Gefühle offener und gehst bereitwilliger ein Risiko ein.«
Ich zuckte mit den Schultern, weil ich nicht wusste, was ich darauf antworten sollte. Aber er hatte recht, irgendetwas hatte mich verändert. Oder irgendjemand. Ungefragt und ungewollt waren Liza, Evelyn und Margot in mein Leben gestolpert und hatten es auf den Kopf gestellt. Gott sei Dank.
»Und das ist eine weitere Voraussetzung für eine erfolgreiche Partnerschaft«, fuhr Franklin jetzt mit seiner gewöhnlichen Stimme fort. »Beide Seiten müssen bereit sein, Risiken einzugehen. Und was mich betrifft, so bin ich dazu bereit. Und daher … habe ich mich gefragt, ob du …«
Wieder verstummte er und trat von einem Bein aufs andere, als hätte er einen Stein im Schuh. Er hustete, und eine leichte Röte stieg ihm in die Wangen. Ich blickte ihn an und überlegte, ob er sich womöglich eine Erkältung geholt hatte. In diesem Fall war es bestimmt nicht gut für ihn, hier im Regen zu stehen. Doch plötzlich dämmerte mir, was er meinte. Ich war wie vor den Kopf geschlagen.
»Franklin!«, rief ich. »Soll das etwa ein Heiratsantrag sein?«
Er riss die Augen auf und schluckte schwer. »Warum? Hat es sich so angehört?«
»Na ja, irgendwie schon. Aber vielleicht auch nicht.« Ich kam mir immer blöder vor, weil ich dachte, ich hätte ihn missverstanden. Doch selbst auf die Gefahr hin, mich vollkommen zum Narren zu machen, entschloss ich mich, ihm eine klare Antwort zu geben.
»Ich muss annehmen, Franklin, dass du mir auf deine anwaltstypisch verquaste Art und Weise beibringen willst, dass unsere Beziehung, wie junge Leute sagen würden, ›in ein neues Stadium eintreten‹ könnte. Ist das richtig?«
Franklin nickte stumm.
»Gut. Ich verstehe. Falls du mich bittest, dich zu heiraten, muss ich dir sagen, dass das für mich alles ein wenig plötzlich kommt, auch wenn wir uns schon seit dreißig Jahren kennen. Falls es aber kein Heiratsantrag war, dann frage ich mich, was du sonst im Sinn hattest. Es mag ja altmodisch sein, aber ich weiß aus bitterer Erfahrung, dass es ein Fehler ist, vorschnell …« Ich schwieg, überzeugt davon, dass er sich den Rest denken konnte. Doch er blickte mich nur an. Also fuhr ich peinlich berührt fort, ein wenig ärgerlich darüber, dass Franklin mir eine weitere Erklärung nicht ersparte: »… dass es ein Fehler ist, wenn man sich Hals über Kopf in eine … intime Beziehung stürzt, ohne sie zuvor legalisieren zu lassen.
Falls du dir also etwas Ähnliches vorgestellt hast, kannst du es gleich vergessen!«
Franklins Augen wurden womöglich noch größer. »Du lieber Himmel, nein! Davon sollte keine Rede sein, Abbie! Ich schätze dich viel zu sehr, um dich oder deine Gefühle in irgendeiner Weise zu verletzen.« Er wurde rot bis an seinen zurückweichenden Haaransatz. In den ganzen dreißig Jahren hatte ich Franklin niemals erröten sehen. Ich wusste gar
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