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Die Fäden des Schicksals

Die Fäden des Schicksals

Titel: Die Fäden des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Bostwick
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dagegen und renn das verdammte Ding ein.«
    Mir tat noch immer der Kopf weh. »Das ist ja alles gut und schön, aber ich habe schließlich auch nicht untätig herumgesessen und darauf gewartet, dass die Kunden hereinströmen. Ich habe Anzeigen in die Zeitung gesetzt, Handzettel verteilen lassen und die große Eröffnung mit Gewinn-spiel und Sonderangeboten veranstaltet …«
    Charlie schnaubte. »Sie haben also eine Anzeige aufgegeben und eine Party veranstaltet. Na toll. Das macht doch jeder, der ein Geschäft eröffnet. Sie müssen noch mehr tun. Lassen Sie sich was einfallen, Evelyn.«
    »Gern, aber wie?«, entgegnete ich.
    »Das weiß ich auch nicht. Sie sind ja schließlich die Quilterin von uns beiden. Sie müssen sich überlegen, was an Ihrem Geschäft einzigartig ist, was Ihnen besonders am Herzen liegt. Und dann müssen Sie es den Leuten nahebringen. Wie könnten Sie das anstellen?«
    Müde und niedergeschlagen, wie ich war, verstand ich nicht, worauf er hinauswollte, und zuckte die Achseln: »Ich weiß nicht. Ich habe eine ziemlich gute Auswahl und biete Kurse für jedes Niveau an. Aber das machen andere Geschäfte auch. Ich finde den Laden hübsch, aber ich bin nicht sicher, ob man ihn einzigartig nennen kann. Und was mir besonders am Herzen liegt … das weiß ich eigentlich auch nicht. Ich möchte einfach einen guten Quiltladen führen und mir damit meinen Lebensunterhalt verdienen.«
    »Nein, das ist nicht genug«, erwiderte Charlie beinahe ungehalten. »Natürlich wollen Sie Ihren Lebensunterhalt verdienen, aber dafür gäbe es hundert einfachere Wege als ausgerechnet einen Quiltladen. Und das wissen Sie auch. Denken Sie nach. Als Sie zum ersten Mal durch die kleine Passage kamen und in das schmutzige Schaufenster blickten, was haben Sie da gesehen? In Wirklichkeit war da nichts als ein heruntergekommenes Ladenlokal, für das sich seit Jahrzehnten niemand mehr interessiert hatte, aber das ist es nicht, was Sie gesehen haben. Sie hatten eine Vision, einen ganz speziellen Traum, der ihnen den Mut verlieh, alle Brücken hinter sich abzubrechen, ihr Bankkonto zu plündern und alles auf eine Karte zu setzen.« Seine Stimme war eindringlich. »Was war das?«
    Ich schloss die Augen und rief mir das Bild wieder ins Gedächtnis.
    »Ich habe Frauen gesehen, die lachend und nähend zusammensitzen. Freundinnen und Fremde, die durch zahllose Reihen von Stoffballen gehen, die Ware befühlen, sich die Farbkombinationen ausdenken und sich gegenseitig bei der Auswahl beraten, damit der Quilt, den sie sich vorgestellt haben, noch viel schöner wird als in ihrer Fantasie. Ganz gewöhnliche Frauen, die niemals auch nur einen Pinsel angefasst haben, nehmen eine Between-Nadel Nr. 10 zur Hand und entdecken die Künstlerin in sich. Es ist ein Ort, wo sie ihrer Liebe und Freude, ihren Träumen, ja sogar ihren Ängsten und Enttäuschungen Gestalt verleihen und sie auf diese Art mit anderen teilen können.«
    Ich dachte an all die Quilts, die ich im Laufe der Jahre gefertigt hatte; jeder einzelne ein Meilenstein auf meinem Lebensweg. Den blau-gelben Quilt für das Kinderbettchen, den ich mit der Hand genäht hatte, als ich Garrett erwartete. Und dann der zweite, hoffnungsvoll in Rosa und Weiß gehalten, der erst zu drei Vierteln fertig war, als ich die Fehlgeburt erlitt. Meine Mutter und Tante Lydia weinten mit mir, während wir die kleinen Herzen in die Mitte jedes Blocks applizierten, zur Erinnerung an meine tot geborene Tochter Julia Margaret. Ich erinnerte mich an den herrlichen Karten-trick-Quilt, den ich für meinen ersten Kurs entworfen hatte, aus leuchtend bunten Batikstoffen, die auf dem schwarzen Hintergrund funkelten wie Diamanten auf schwarzem Samt. Und an die stolzen Mienen der Teilnehmerinnen – allesamt Anfängerinnen –, wie sie in der letzten Stunde ihre fertigen Arbeiten präsentierten. Ich dachte an die Dutzenden von Quilts, die ich im Laufe der Jahre verschenkt und erhalten hatte: als Lob, zum Dank oder Trost oder zur Erinnerung. Der Drunkard’s-Path-Quilt fiel mir wieder ein, den Mary Dell und ich zusammen genäht hatten, als Rob mich verlassen hatte und ich nicht mehr ein noch aus wusste und alle Wege ins Nirgendwo führten. Damals machte Mary Dell mir wieder Mut und half mir, eine neue Richtung einzuschlagen. Ich dachte an all die Frauen, mit denen ich beim Zuschneiden, Nähen und Quilten Seite an Seite gesessen hatte. Ich kannte sie und ihre Lebensgeschichten. Und sie kannten meine.
    Ich schlug die

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