Die Fäden des Schicksals
Augen auf und sah, dass Charlie mich erwartungsvoll anblickte.
»Ich habe eine Gemeinschaft gesehen«, sagte ich.
Er nickte. »Gut. Dann ist eben das Ihr Anliegen. Sie müssen eine Gemeinschaft begründen. Fragen Sie mich nicht, wie, aber jetzt, da Sie eine klare Vorstellung haben, werden Sie auch einen Weg finden. Da bin ich mir sicher.«
9
Evelyn Dixon
Ich klappte die Zeitschrift zu, in der ich geblättert hatte – eine zerlesene, zwei Jahre alte Ausgabe von People –, blickte auf meine Uhr und seufzte ungeduldig. Mein Termin war schon seit zwanzig Minuten überfällig. So viel Zeit hatte ich nicht, vor allem nicht heute.
Ich ging also zum Empfang und klopfte leicht an die Trennscheibe, hinter der die Arzthelferin saß. Es war eine junge Frau namens Donna, die ebenfalls zu meinen Kundinnen zählte. Donna war zu mir gekommen, weil sie einen Babyquilt für das Kind ihrer Schwester Cathy nähen wollte, ein kleines Mädchen mit Namen Liesel Christine, das der gesamten Familie umso kostbarer war, als Cathy acht Jahre lang vergeblich versucht hatte, schwanger zu werden. Das war ein weiterer Grund, warum ich meinen Laden so gern führte. Ich erfuhr, an welchem Stück meine Kundinnen gerade arbeiteten, und zugleich auch etwas über ihr Leben. Wenn man in einem Lebensmittelgeschäft oder einer Boutique arbeitet, ist das anders. Ein Kilo Brokkoli oder eine Bluse kauft man einfach nur, doch den Stoff für einen Quilt auszusuchen ist weit mehr als ein bloßer Austausch von Geld und Ware. Es erfordert Zeit und Liebe, denn es ist der Anfang einer Geschichte.
»Ja, Evelyn?«, fragte Donna, während sie die Glasscheibe zurückschob.
»Ich will ja nicht lästig sein, aber ich wäre schon vor fast einer halben Stunde dran gewesen«, antwortete ich, wobei ich die Zeit etwas großzügig schätzte. »Vielleicht sollte ich lieber einen neuen Termin vereinbaren. Gerade heute Nachmittag habe ich so viel zu tun.«
Donna nickte verständnisvoll. »Ich weiß, und es tut mir leid. Dr. Thayer ist heute Morgen eine Geburt dazwischengekommen; das hat den ganzen Zeitplan durcheinandergebracht. Er müsste jetzt bald kommen, aber ich weiß, dass morgen Ihr Quilt-Pink-Tag stattfinden soll. Der Zeitungsartikel war übrigens toll und das Bild von Ihnen auch! Ich wette, Sie haben jetzt eine Menge Zulauf.«
Ich nickte. »Seit der Artikel erschienen ist, klingelt bei mir praktisch ununterbrochen das Telefon. Die meisten Interessenten sind erfahrene Quilterinnen, aber es ist auch eine ganze Reihe Neulinge dabei. Sie sehen in der Veranstaltung eine gute Möglichkeit, Freundinnen oder Verwandte, die an Brustkrebs leiden, zu unterstützen.«
»Eine Nachbarin von mir bekam letztes Jahr die Diagnose«, erwiderte Donna. »Seitdem hat sie ganz schön was durchgemacht. Ich kann morgen nicht zum Laden kommen, aber würden Sie mir trotzdem ein Materialset zusammenstellen, damit ich zu Hause daran arbeiten kann? Ich habe meine Nachbarin gefragt, ob ich etwas für sie tun kann, aber das fragt bestimmt jeder. Mit dem Quilten könnte ich ihr zeigen, dass ich ihr Glück wünsche.«
»Sicher. Ich bereite etwas für Sie vor. Das können Sie sich dann jederzeit abholen. Ich bin davon überzeugt, dass Ihrer Nachbarin die Idee gefallen wird.«
»Danke.« Donna blickte auf die Uhr und runzelte die Stirn. »Ich gehe mal kurz zu Dr. Thayer und frage ihn, ob er Ihnen für diese Woche einen neuen Termin geben kann.«
Kurz darauf war sie wieder da und schüttelte den Kopf. »Er möchte Sie lieber heute noch sehen, aber es dauert jetzt nicht mehr lange. Er ist gleich fertig.«
Widerstrebend nahm ich meinen Platz wieder ein, zog meine Aufgabenliste aus der Tasche und las sie noch einmal durch.
Zuerst wollte ich beim Lebensmittelhändler die Platten mit Obst und Käse abholen und ein paar hübsche Pappteller und Servietten besorgen. Danach musste ich zur Druckerei und die Musterblätter noch zwanzigmal kopieren lassen. Vielleicht sollte ich lieber dreißig Kopien machen, für den Fall, dass noch weitere Teilnehmerinnen hereinschneiten. Ich machte mir am Rand des Zettels einen Vermerk. Und dann brauchte ich noch fünfzig Exemplare der Broschüre für den Kurs im Herbst. Außerdem wollte ich noch bei der Bank vorbeigehen, um Geld einzuzahlen und mir Wechselgeld für die Kasse geben zu lassen. Und wenn ich alle Besorgungsgänge erledigt hatte, musste ich in den Laden und Stoff für siebenundsechzig Quilt-Sets zuschneiden. Siebenundsechzig! Ich konnte von Glück sagen,
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