Die Fäden des Schicksals
was wollen Sie für ein Materialset verlangen?«, erwiderte er.
»Na ja, es ist ja für einen guten Zweck. Deshalb hatte ich vor, sie zum Selbstkostenpreis abzugeben. Die Erfrischungen und die Preise spendiere ich. Wenn die Frauen schon ihre Zeit opfern, um die Blöcke zu nähen, dann möchte ich auch etwas beisteuern.«
Charlie schwieg einen Augenblick, dann sagte er: »Sind Sie da sicher, Evelyn? Sie sagten doch, Ihre Bilanz sieht nicht gut aus. Die ganze Sache wird Ihnen eine Menge Arbeit machen. Es ist nicht einzusehen, warum Sie dann nicht auch ein wenig daran verdienen sollten.«
Ich lachte. »Ihr Optimismus in allen Ehren, Charlie, aber ich weiß ja noch nicht einmal, ob überhaupt jemand kommt. Und selbst wenn ich an jedem Set ein paar Dollar verdiene, bin ich noch lange nicht aus dem Schneider. Mir wäre es Lohn genug, wenn ich zusehen könnte, wie zwanzig Frauen gemeinsam an einem Quilt arbeiten und damit anderen ein klein wenig helfen. Und sehen Sie es doch mal so: Falls der Cobbled Court das Jahr nicht überlebt, kann ich mir wenigstens sagen, dass ich etwas Gutes tun konnte, solange ich den Laden hatte.«
»Sie sind ein guter Mensch, Evelyn. Wissen Sie das?«
Ich wollte schon eine witzige Antwort geben und ihm sagen, er solle sich den Schmus für seine Gäste aufheben; doch in diesem Augenblick klingelte die Ladenglocke.
»Ich muss Schluss machen, Charlie. Sehen wir uns morgen im Bean?«
»Frisch und munter in aller Herrgottsfrühe«, antwortete er. »Sie können mich gar nicht verfehlen – ich bin derjenige, der pünktlich ist.«
»Sehr witzig.« Lächelnd hängte ich auf und begrüßte meine Kundin. Noch den ganzen Nachmittag über musste ich lächeln, wenn ich an mein Vorhaben dachte und daran, wie froh ich war, gleich einen so guten Freund wie Charlie gefunden zu haben.
Bevor der Tag vorüber war, bekam ich noch mehr Grund zur Dankbarkeit. Kurz vor Ladenschluss klingelte die Glocke erneut. Diesmal war es ein Reporter vom New Bern Herald, der einen Artikel über mich, den Laden und den Quilt-Pink-Tag schreiben wollte.
»Ist das Ihr Ernst?«, fragte ich.
»Ja. Jemand hat in der Redaktion angerufen und von ihrer Aktion erzählt. Mein Chef fand, es wäre eine interessante, aus dem Leben gegriffene Geschichte für die Wochenendbeilage. Und deshalb bin ich jetzt hier.«
Der Reporter zog eine Kamera aus seiner schwarzen Schultertasche und hängte sie sich um den Hals. Dann holte er einen linierten Notizblock hervor und legte ihn auf die Ladentheke. Mit zusammengekniffenen Augen blickte er sich im Raum um und kratzte sich das Kinn.
»Zuerst machen wir mal ein paar Bilder hier drin. Da drüben bei den Stoffballen, mit dem großen grünen Quilt im Hintergrund. Dann können wir nach draußen gehen und Sie vor dem Laden aufnehmen, solange es noch hell genug ist. Das Interview können wir später machen.« Er fummelte mit seinen Kameralinsen herum und blickte mich dann erwartungsvoll an.
»Fertig?«
Er machte etwa ein Dutzend Fotos. Das Bild, das am folgenden Sonntag auf der Titelseite der Beilage erschien, zeigte mich vor der roten Eingangstür unter dem schwarzgoldenen Schild mit der Aufschrift Cobbled Court Quilts. Das Foto erinnerte mich daran, dass ich schon lange kein Fitnessstudio mehr von innen gesehen hatte, doch es erfüllte seinen Zweck.
Als ich an diesem Sonntag zur Kirche ging (wo ich mich immer in die letzte Reihe setzte, um während des Abschlusschorals hinausschlüpfen und, nach einem Sprint über den Anger, mein Geschäft rechtzeitig zu Mittag öffnen zu können), wurde ich von vier Frauen aufgehalten, die mir über ihre eigene Brustkrebs-Erkrankung oder die ihrer Schwester oder Freundin erzählen und mich fragen wollten, wie sie sich für den Quilt-Pink-Tag anmelden konnten.
Ich war so gerührt über ihre Offenheit, dass ich nicht auf die Zeit achtete. Als ich schließlich den Laden eine Viertelstunde zu spät aufschloss, sah ich das grüne Lämpchen an meinem Anrufbeantworter blinken. Zwölf Frauen hatten angerufen, weil sie weitere Informationen über Quilt Pink wünschten. Auch im weiteren Verlauf des Tages rissen die Anrufe nicht ab, und darüber hinaus hatte ich doppelt so viel Kundschaft wie gewöhnlich. Jede Anruferin und jede neue Kundin hatte eine Geschichte auf dem Herzen – eine Erinnerung an Sieg oder Niederlage –, die sie unbedingt mit jemandem teilen wollte. Am eifrigsten waren diejenigen, die die Krankheit überlebt hatten und nun alles daransetzten zu
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