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Die Fährte der Toten

Die Fährte der Toten

Titel: Die Fährte der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael White
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verzweifelt versucht, sich zu befreien, und aus seinem Mund kommt nur ein heiseres Krächzen.
     
    'Ich wiederhol mich nicht gern, also mach den Mund auf.'
     
    Wilcott gibt den sinnlosen Versuch auf, sich aus ihrem Griff zu winden und rammt Lee stattdessen sein Stilett in die Seite, das er inzwischen aus seinem Ärmel hat gleiten lassen – mit dem Ergebnis, dass Lee sein Handgelenk packt und es ihm mit einer fast beiläufigen Bewegung bricht.
     
    Diesmal kann Wilcott den Schrei nicht unterdrücken. Eine Woge des Schmerzes jagt seinen Arm aufwärts durch seinen Körper, und er lässt das Stilett aus seiner erschlaffenden Hand fallen. Lee reißt ihr Opfer am Kragen hoch und knallt es gegen die Wand. Ein hässliches Knacken verkündet den Bruch einer oder mehrerer Rippen, als Wilcott unsanft Bekanntschaft mit einer Regenrinne macht.
     
    'Rede. Oder du wirst leiden.'
     
    Lee starrt dem Kerl ins Gesicht, und dann glimmt eine Erinnerung in ihr auf. Diese Visage hat sie schon mal gesehen. Nur wo? Wenn sie sich nur erinnern könnte. Sie hält die Messerklinge kurz vor seinen in Panik hin- und her zuckenden Augapfel, während sie gleichzeitig den gebrochenen Arm nach hinten drückt.
     
    'Irgendwoher kenne ich deine Visage. Das ist nicht gut für dich. Du solltest also besser kooperativ sein, sonst wird es gleich richtig hässlich. Also, spucks aus. Woher kennen wir uns? Wer hat dich beauftragt?'
     
    Sie zieht ihm die Klinge mit einer schnellen Bewegung über die Wange, und sofort beginnt das Blut zu fließen. Der Geruch kitzelt in ihrer Nase, und sie muss sich beherrschen. Nicht jetzt. Noch nicht.
     
    Wilcotts Gedanken rasen hin und her, während die Schmerzen in Hand, Brustkorb und Gesicht fröhlich darum streiten, wer ihm die meisten Qualen bereiten darf.
     
    'Wir kennen uns nicht. Noch nie gesehen. Ich kenn nicht mal deinen Namen. Und auch nicht den Namen des Auftraggebers. Ich bin nur ein Dienstleister. Ich bekomme Informationen, und ich mache den Job. Ein Foto und eine Anzahlung. Mehr gibt es nicht.'
     
    Lee nickt. Wer wüsste das besser als sie? Nur ist ihr diese Erklärung zu glatt. Etwas passt nicht ins Bild. Leander hustet und spuckt Blut aus, was einen dunklen Glanz in Lees Augen zur Folge hat. Sie studiert sein Gesicht aufmerksam, horcht in ihr Inneres hinein. Der Kerl lügt. Der wurde nicht einfach so auf sie angesetzt. Das Gesicht – sie hat es schon einmal gesehen. Er war jünger damals, es muss schon lange her sein. Aber wo? Dann weiß sie es. Er stand abseits. Seine schwarze Lederjacke lässig über die Schultern gehängt, locker an einen Wagen gelehnt.  Die Drecksarbeit den anderen überlassend. Als würde ihn das Ganze nichts angehen.
     
    'So sieht man sich wieder...'
     
    Lee lächelt bei ihren Worten, und Leander kann die Kälte förmlich spüren, die von ihr ausgeht. Seine Angst verwandelt sich langsam in Panik. Dass er aus der Nummer noch lebend raus kommt, glaubt er nicht mehr. Doch es gibt schlimmere Dinge als den Tod. Nämlich das, was davor kommt. Warum? Er möchte die Frage herausschreien, doch er bekommt keinen Ton heraus. Eine Träne läuft ihm die vor Schmerz pulsierende Wange herunter. Die Augen der Frau – sie sind so wundervoll, denkt er. Wo hat er sie schon einmal gesehen? In seinen Gedanken flackert eine Erinnerung auf, wie die Flamme einer Kerze, über die ein starker Luftzug hinweg zieht.
     
    'Benny, sieh nach, ob noch jemand fehlt.'
     
    Er hört seine Stimme, ein Echo aus der Vergangenheit, und alles erscheint wieder vor seinem geistigen Auge, als wäre es gestern gewesen. Benny war losgestiefelt, um zu schauen, ob sie jemand übersehen hatten. Und nie zurückgekehrt. Es war so, als hätte die verfluchte Wüste ihn verschluckt. Sie hatten Blutspuren gefunden, die zur Straße führten. Er hatte darauf gedrängt, dass sie sich darum kümmern sollten. Sie hatten die Krankenhäuser abgeklappert. Kein Benny. Kein Niemand, der mit Schussverletzungen eingeliefert worden war. Leander hatte weitersuchen wollen, doch man hatte ihn zurückgepfiffen, die Angelegenheit für erledigt erklärt. Berufsrisiko. Benny hatte es versaut und damit basta. Er war dagegen gewesen. Die Sache stank seiner Meinung nach. Man sollte nie jemanden laufen lassen, und man sollte erst recht keine losen Enden hinterlassen.
     
    Fast muss er lachen. Was für eine Ironie des Schicksals, denkt er, bevor er als Letztes in seinem von Tod, Gewalt und Blut beherrschten Leben ein paar Fangzähne erblickt, die sich

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