Die Fährte des Nostradamus
vier Personen. Vier Männer und eine Frau, die auf einer Bank vor einer Fischerhütte saßen und sich unterhielten…
9
Der Morgen des 30. August zeigte sich von seiner schönsten Seite. Kirsten roch den Duft von frischen Kaffee, als sie in Festus Büro verschlafen durch die Augen blinzelte. Dort stand ein antikes Sofa, das er für sie zum Schlafen hergerichtet hatte. Die beiden Männer hatten es sich auf zusammen geschobenen Sesseln vor dem Kamin mehr oder weniger bequem gemacht.
Als Kirsten an das Fenster trat, tauchte die Sonne das Land in Farben, deren Intensität ihr den Atem raubte. Festus und seine Frau richteten auf der Veranda den Frühstückstisch her, während sie sich mit Steve unterhielten.
Sheldon kam gerade aus dem Waldstück geschlendert, das unmittelbar vor dem Hof begann und ihr im dichten Nebel der gestrigen Nacht nicht aufgefallen war. Begleitet wurde er von Alexa, die ihm einige Schritte voraus eilte, dann stehen blieb und ungeduldig auf den langsamen Wanderer wartete. Sie war von Festus eine andere Geschwindigkeit gewohnt.
Von hier aus konnte sie das ganze Grundstück überblicken. Um das Landhaus standen einige Holzschuppen, die wie ein gallisches Dorf, ringförmig zum Haus angeordnet waren. Etwas weiter hinten gab es einen Hundezwinger, der allerdings von Hühnern bevölkert wurde. Direkt dahinter lag ein wunderschöner kleiner Teich, der von einem Garten umrandet wurde. Zwei Enten schwammen im grünen Wasser und putzten gerade ausgiebig ihr Federkleid. Das Bild, das sich ihr bot, zeigte eine heile Welt, die für sie seit gestern keine mehr war.
„Und das ist die Dritte im Bunde“, stellte Festus Kirsten seiner Betty vor, als Kirsten endlich den Weg nach unten gefunden hatte. Sie hätte noch Stunden am Fenster stehen können, um die schöne Natur zu bewundern und der Sonne beim Aufgehen zuzuschauen. Betty war gerade dabei, die frischen Brötchen aufzuschneiden. Sie wischte sich nach Hausfrauenart die Hände an ihrer Schürze ab und reichte Kirsten freundlich lächelnd die Hand.
„Schön Sie kennen zu lernen. Setzen Sie sich Mädchen. Sie wollen den Tag doch sicher nicht ohne ein ordentliches Frühstück angehen. Oder gehören Sie zu diesen jungen Dingern, die sich in ihre viel zu engen Hosen hungern?“, meinte sie lachend und klopfte sich auf ihre beachtlichen Oberschenkel.
Betty war eine Frau von beeindruckender Leibesfülle. Festus nannte sie gern seine „liebenswerte Walküre“, was Betty nicht weiter störte. Gleichzeitig umgab sie eine gutmütige Aura, die sie Kirsten auf Anhieb sympathisch machte. Hungrig griff sie nach einem Brötchen und biss herzhaft hinein.
„Nennen Sie mich bitte Kirsten.“
Steve und Sheldon ließen sich nicht bitten und langten ebenfalls zu. Die Beiden machten den Umständen entsprechend einen ausgeruhten Eindruck und saßen mit freien Oberkörpern am Tisch. Steve sah zudem irgendwie verändert aus. Kirsten fiel auf, das sein Gesicht nicht mehr so eingefallen wirkte und seine Körperhaltung eine andere war. Die Abwechslung, auch wenn sie unter keinen guten Stern stand, bekommt ihm wohl ganz gut, dachte sie, während sie ihren Kaffee trank. Ihre Augen fielen auf die unzähligen Narben an seinem Körper. Was muss dieser arme Mann alles durchgemacht haben, dachte sie bestürzt. Sogar eine Brustwarze fehlte.
Nach einem kurzen Blick auf seine Uhr, kramte Steve in seiner Hosentasche herum und brachte seine Pillendose hervor.
„Zeit für meine Drogen“, sagte er auf die fragenden Blicke der Anderen hin.
Gerade als er sich die kleine Kapsel in den Mund schieben wollte, hielt er jedoch inne.
„Eigentlich habe ich gar keine Kopfschmerzen“, stellte er erstaunt fest. Seit Jahren schon nahm er zu festen Zeiten seine Medikamente ein. Im Laufe der Zeit hatte sich die morgendliche Tabletteneinnahme so automatisiert, wie das tägliche Zähneputzen.
„Soll ich die nun nehmen, oder warte ich erst ab, bis ich tatsächlich Schmerzen bekomme“, dachte Steve laut, und kratzte sich im Nacken.
„Ich würde sie erst nehmen, wenn es notwendig ist.“ Kirsten war prinzipiell dagegen, seinen Körper mit Medikamenten zu verseuchen, wusste aber, dass es Ausnahmen gab. Und Steves Gesundheitszustand war eine.
Betty pflichtete ihr bei. Sie setzte bei allen Beschwerden auf Kräuter, die in der Umgebung wuchsen. So etwas wie eine Hausapotheke gab es bei den Spooners nicht.
Sheldon grinste Steve väterlich an.
„Ich werde Dich im Auge behalten,
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