Die Fährte des Nostradamus
mir die eiskalte Hand der Erkenntnis das Herz aus der Brust reißen zu wollen. Das geht vorbei, meine Liebe. Das geht vorbei…Und jedes Mal gehe ich gestärkt daraus hervor. Es ist wichtig für uns, dass wir unsere Gefühle nicht verstecken. Kirsten, denn nur so können wir wachsen. Nur so wird die Liebe in uns zu dem, vor dem sich Satan fürchtet. Wahre, reine Liebe, die nichts mit der Liebe zwischen Mann und Frau gemein hat. Liebe, die weit darüber hinausgeht, und… eine nicht zu unterschätzende Waffe ist. Du wirst sehen…“
Wie lange sie so da saß wusste sie nicht, doch plötzlich spürte Kirsten eine Hand, die sich leicht auf ihrer Schulter legte. Verwirrt drehte sie sich um und schüttelte sich die Benommenheit ab.
„Alles in Ordnung, Kirsten?“ Steve war leise nach unten gekommen, um nach dem Rechten zu schauen.
„Alles in Ordnung, Steve“, sagte Kirsten mit belegter Zunge, doch die Tränen, die über ihr Gesicht rannen, sprachen eine andere Sprache.
„Komm Mädchen, steh erst einmal auf, und vertrete Dir die Beine.“ Steve stellte die Saftflasche die er mitgebracht hatte auf den Tisch und half Kirsten hoch.
„Na, geht’s?“ Kirsten nickte tapfer und zog ein Taschentuch aus ihrer Jeans, um sich die Tränen abzuwischen. Dann aber wurde sie von einer weiteren Heulattacke heimgesucht, und fiel Steve in die Arme. Hemmungslos ließ sie den Tränen freien Lauf. Steve war bestürzt und versuchte mit beruhigenden Worten Trost zu spenden.
Es dauerte eine Weile, bis Kirsten sich wieder fasste. Sie hatte einfach keine Tränen mehr. Schwach löste sie sich von Steve und dankte ihm für seine Anwesenheit, indem sie ihm zärtlich auf die Wange küsste. Steve war froh darüber, dass Kirsten sich sogleich umdrehte und mit dem Taschentuch ihr Gesicht trocknete. Es wäre ihm peinlich gewesen, wenn sie die Röte bemerkt hätte, die ihm der Kuss ins Gesicht getrieben hatte.
„Jetzt hätte ich gern etwas zu trinken, Steve“, bat Kirsten mit noch immer belegter Stimme. Hastig leerte sie das Glas Saft, das Steve ihr hinhielt und stellte es erleichtert auf den Altar.
„Danke nochmals, Steve. Du warst an meiner Seite, als ich Dich brauchte. Nun lass uns zu den anderen gehen. Ich bin sicher, das die sich schon zu Tode langweilen, oder?“
„Ja“, sagte Steve gepresst. Ihm wurde es hier langsam unheimlich. Dieser Ort strahlte eine seltsame Atmosphäre auf ihn aus und kam ihm dabei irgendwie bekannt vor.
„Lass uns nach oben gehen.“
Kirsten schloss die Schatulle mit den Centurien und klemmte sie sich unter den Arm. Dann nahm sie wie selbstverständlich den Anhänger und legte ihn sich an. Nostradamus sagte, das dieser Zahn aus ihrem Besitz stammen würde. Sicher hatten die Symbole darauf eine Bedeutung, die sie später erst deuten konnte.
„Weist Du etwas über diesen Zahn“, fragte sie Elaine.
Ich habe keine Erinnerungen daran, meine Liebe. Aber ich spüre einen starken Zauber der von ihm ausgeht…
Auf dem Weg zur Treppe drehte sich Kirsten plötzlich um, und ließ die eigentümliche Aura des Gewölbes auf sich wirken. Ich glaube nicht, dass wir uns wieder sehen, dachte sie und verabschiedete sich von diesem Ort. Er hatte seinen Zweck genauso erfüllt, wie das schwingende Meer und die Schwestern.
Oben angekommen wurde sie von fragenden Blicken empfangen. Sheldon trat ihr besorgt entgegen und nahm sie in die Arme.
„War es schlimm. Hat das Buch Dir schreckliche Dinge offenbart? Du siehst mitgenommen aus“, sagte er und versuchte möglichst ruhig auf sie einzuwirken. Innerlich wuchs seine Anspannung und bereitete ihm ein dumpfes Gefühl im Magen. Die Zeit, die Kirsten allein in dem Gewölbe verbracht hatte, war für ihn die reinste Tortur gewesen, Minuten kamen ihm vor wie Stunden. Immer wieder war er zwischen den Baugerüsten auf und ab gegangen und hatte nervös auf die Uhr geschaut. Es war nicht nur das Gefühl, Kirsten allein dort unten zu wissen. Eine unbestimmte Furcht belastete ihn und verunsicherte ihn immer stärker. Sein Instinkt sagte ihm, dass er auf alles gefasst sein musste. Etwas nicht Greifbares schwebte über ihnen und er konnte nur dann reagieren, wenn es sich zeigte. Eine Situation, die Ed Sheldon als unerträglich empfand. Er war ein Stratege und hatte immer Wert darauf gelegt, über seine Feinde so viel wie möglich in Erfahrung zu bringen. Wissen ist Macht, war seine Devise.
In dem Moment, in dem er seinen Arm um Kirsten legte, fiel diese Angst plötzlich von ihm,
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